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Feindbild auch für die Kirchen: AfD-Vorsitzende Frauke Petry.

© Maja Hitij/dpa

Debatte um Flüchtlinge: Gerade Christen sollten mit der AfD diskutieren

Der Katholikentag will AfD-Politiker nicht auf Podien lassen, der evangelische Bischof Berlins nicht in Gemeindekirchenräte. Dabei sollten sie die verlorenen Schafe nicht aufgeben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia Keller

Die Frage, ob man mit der AfD sprechen soll oder nicht, spaltet Parteien und Freundeskreise. Die katholische Kirche hat jetzt eine klare Antwort gegeben: Beim Katholikentag im Mai in Leipzig dürfen keine AfD-Politiker aufs Podium.

„Die AfD hat sich nach den Äußerungen der letzten Tage aus dem demokratischen Grundkonsens verabschiedet“, begründete Thomas Sternberg die Entscheidung, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, der obersten Vertretung der knapp 24 Millionen Katholiken.

Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry und die Berliner Landeschefin Beatrix von Storch hatten dafür plädiert, man müsse die deutsche Grenze notfalls mit Waffengewalt gegen illegal einreisende Flüchtlinge schützen.

Am gestrigen Samstag erklärte Markus Dröge, der evangelische Berliner Landesbischof, AfD-Mitglieder dürften nicht Mitglieder in Gemeindekirchenräten werden. Voraussetzung für die Mitarbeit sei es, dass man sein Leben am Evangelium Jesu Christi ausrichte. Wenn Kandidaten nachweisbar „selber menschenverachtende Parolen in die Welt gesetzt haben, dann können sie auch nicht auf die Wahlliste.“

Mitglieder im Gemeindekirchenrat sind keine Angestellten der Kirche, sondern engagierte Laien. Aber auch sie vertreten die Kirche und damit den biblischen Auftrag der Friedfertigkeit und das Tötungsverbot. AfD-Mitglieder, die womöglich vom Schießen auf Flüchtlinge träumen, davon auszuschließen, mag deshalb gerechtfertigt sein.

Doch zum einen haben Petry und Storch ihre Aussagen mittlerweile relativiert, und auch AfD-Mitglieder haben sich empört. Zum anderen hat auch der grüne Tübinger Oberbürgermeister kürzlich eine Äußerung getan, die man in diese Richtung verstehen konnte. Sollen jetzt auch Grüne nicht mehr in Gemeindekirchenräten sitzen dürfen?

Auch in den eigenen Reihen wird gegen die "Asylindustrie" gehetzt

Die Weigerung der katholischen Christen, sich auch nur mit AfD-Vertretern auf ein Podium zu setzen, ist ein völlig falscher Ansatz – gerade aus christlicher Perspektive. Das biblische Gleichnis vom verlorenen Schaf lehrt, niemanden aufzugeben, auch wenn er sich noch so sehr verirrt hat. Außerdem betonen die Kirchen pausenlos, dass sie auf die Menschen offen zugehen wollen. Diskutieren, argumentieren, sich auseinandersetzen, bis den AfD-Leuten die Spucke wegbleibt, das wäre der richtige Weg.

Die Kirchen sollten sich mit der AfD auch deshalb auseinandersetzen, weil es auch in den eigenen Reihen Sympathien und Überschneidungen mit den Rechtskonservativen gibt. In evangelikalen Kreisen und am rechten Rand der katholischen Kirche kommt das Denken der AfD in Freund-Feind-Kategorien und der vermeintliche Kampf gegen „das System“ gut an. Auf Internetportalen wie kath.net und in der sich darum gruppierenden Bloggerszene blüht der Hass auf Homosexuelle und wird gegen „Genderwahn“ und „Asylindustrie“ gehetzt. Autoritäre Denkstrukturen wirken offenbar gerade auf besonders fromme und sich moralisch überlegen fühlende Christen anziehend. Sich als Kirche davor wegzuducken, löst das Problem nicht.

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