zum Hauptinhalt
Merkel winkt der Menge zu.

© dpa

Debatte um neues Griechenland-Hilfspaket: Der Euro, das Hausgespenst

Schuldenschnitt oder Hilfspaket? Normale Menschen verstehen den Unterschied oft nicht - dafür wird in der Politik umso heftiger über die neuen Hilfen für Griechenland diskutiert. Angela Merkel durfte sich bei einer Fragestunde im Kanzleramt aber über weniger heikle Themen freuen.

Von Robert Birnbaum

Ob vielleicht grad jetzt noch jemand eine Frage habe? Angela Merkel guckt vom Podium im Ehrenhof des Kanzleramts in das bunte Gewusel vor ihr. Die Regierung hat zum „Staatsbesuch“ geladen, und der Bürger kommt mit Kind und Kegel und Kamera. Merkel begrüßt ihr Publikum, wie sie es jedes Jahr tut, erläutert das Protokoll auf dem roten Teppich – Staatspräsidenten kriegen Militärzeremoniell mit allen Waffengattungen, Regierungschefs nur Heer, Marine oder Luftwaffe – fragt den Chef des Stabsmusikcorps nach der schwersten Nationalhymne der Welt – Argentinien –, und dann also: Noch Fragen?

Es gäbe da ja bestimmt die eine oder andere. Draußen vor dem Kanzleramt haben Jusos und Jung-Grüne sogar einen Vorschlag gemacht: „Fragen Sie mich doch mal, warum ich Europas Jugend im Stich lasse“, steht auf einem Plakat unter einer Merkel-Pappmaske, hinter der einer der Jungpolitiker steckt. Das ist natürlich polemisch. Aber es ist unerwartet aktuell. Es war lange still geworden um die Euro-Krise. Aber seit Wolfgang Schäuble bei einem Wahlkampfauftritt knapp festgestellt hat, dass Griechenland ein drittes Hilfspaket brauchen werde, ist das Thema im Wahlkampf gelandet.

Ob der Finanzminister das Bömbchen mit Bedacht gezündet hat, ist auch Merkel nicht ganz klar; zutrauen wird sie es ihm allemal. Bei der Opposition pflegen sie dagegen die These, Schäuble sei die Wahrheit versehentlich rausgerutscht. Das passt besser zu dem Vorwurf, mit dem SPD und Grüne ihrer Gegnerin endlich einmal zusetzen wollen: Dass Merkel die Euro-Krise und ihre finanziellen Folgen für die Deutschen aus dem Wahlkampf am liebsten raushalten würde.

"Das dicke Ende kommt noch."

„Es kommt wie Helmut Kohls Versprechen, dass die Einheit nichts kostet: Das dicke Ende kommt noch!“ orakelt düster SPD-Chef Sigmar Gabriel in der „Passauer Neuen Presse“. Kandidat Peer Steinbrück kündigt drängende Fragen an die Kanzlerin nächsten Sonntag beim Fernsehduell an.

Ob Merkel das Thema wirklich am liebsten aus dem Wahlkampf heraushalten würde, ist gar nicht so sicher. Dass sie die Euro-Krise von ihren Bürgern fern gehalten hat, begründet schließlich das enorme Vertrauen, das ihre Beliebtheitswerte in jeder Umfrage widerspiegeln.

Ein Dominoeffekt der Verunsicherung

Sicher ist hingegen, dass sie das Stichwort „Schuldenschnitt“ vom Tisch haben will. Das ist gut verständlich. Erstens müssten bei einem erneuten Verzicht der Gläubiger auf Ansprüche an Griechenland auch die deutsche Staatskasse real auf Milliarden verzichten. Zweitens aber – Merkel hat es im „Focus“ recht drastisch ausgemalt – könnte es einen „Dominoeffekt der Verunsicherung“ unter privaten Investoren auslösen, wenn die den Eindruck bekämen, der Schuldenerlass auf ihre Kosten werde von der als einmalig beschworenen Ausnahme zum Regelinstrument der Euro-Retter.

Leider verstehen normale Menschen den Unterschied zwischen einem Schuldenschnitt und einem Hilfspaket nicht. Und ihr Verständnis wird nicht befördert von solchen wie Merkels Parteifreund Günther Oettinger, wenn der EU-Kommissar verkündet, dass die Griechen rasch einen „kleinen zweistelligen Milliardenbetrag“ brauchten, wobei ein Schuldenschnitt derzeit „nicht vorstellbar“ sei, in fernerer Zukunft allerdings schon.

Was die Euro-Rettung kostet? Schwer zu sagen.

Normale Menschen treiben scheinbar simple Fragen um wie die, der sich Schäubles Sprecher Martin Kotthaus am Tag der offenen Tür gegenüber sah: Was die Euro-Rettung Deutschland bisher koste? Da könne er nicht einfach eine Zahl nennen, sagt Kotthaus. „Oder die Zahl ist zu groß!“ argwöhnt der Fragesteller. Nein, sagt Kotthaus. Und dann rattert er los, viele, viele Zahlen.

Drüben im Kanzleramt hat sich derweil einer aufgerafft. Was sie sich für Berlin wünsche, ruft er hoch zum Podium. Merkel wünscht sich, „dass man eines Tages nicht mehr sieht, wo Ostberlin ist und wo Westberlin“. Auch eine Frage, das.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false