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Finanzminister Wolfgang Schäuble: Wem gehört der Haushaltsüberschuss?

© AFP PHOTO / Odd ANDERSEN

Debatte um Steuersenkungen: Der Staat sollte den Bürgern danken

Die Debatte um Steuersenkungen in Deutschland ist völlig verquer. Nicht die Bürger müssen sich für Steuersenkungen bedanken, der Staat muss sich für die Steuern bedanken. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Manche Sachen gibt es nur in Deutschland. Zum Beispiel die Debatte über Steuererleichterungen für die Bürger auf der einen und die über die Rolle des Staates auf der anderen Seite. Seitdem die SPD ihr Steuerkonzept vorgelegt hat, wird darüber gestritten, wie viel Geld der Staat beansprucht, um kostenlose Kindergartenplätze zu finanzieren oder Brücken zu reparieren. Aber: Braucht er tatsächlich jährlich wachsende Milliardensummen, um seine Aufgaben ordentlich zu erledigen? Oder liegt es gar nicht am Geld?

Der Staat haushaltet nicht gut mit seinen Mitteln

Kindergärtnerinnen oder bessere Straßen fehlen nicht, weil in den öffentlichen Kassen Ebbe herrschte. Sie fehlen, weil der Staat mit dem Geld falsch umgeht. So sind zum Beispiel im öffentlichen Dienst die Mitarbeiter viel öfter und viel länger krank als in der privaten Wirtschaft. In jedem Unternehmen wird der Vorgesetzte intensiv befragt, geschult und im Zweifelsfall ersetzt, wenn der Krankenstand steigt. Man setzt alles daran, die Mitarbeiter wieder gesund und munter auf der Arbeitsstelle begrüßen zu können. Der Staat tut das nicht. Er fordert mehr Personal. Für das habe er aber leider, leider zu wenig Geld. Dass noch mehr kranke Polizisten nicht hilfreich sind, kümmert die Wahlkämpfer nicht. Ihre Umverteilungsideen blühen weiter, effizient müssen sie nicht sein.

Die Bürger waren fleißig - deshalb sind die Kassen voll!

Nicht dem Staat ist es zu verdanken, dass die soziale Ungleichheit in Deutschland in den vergangenen Jahren nicht mehr zugenommen hat. Seine Bürger sorgen dafür. Weil sie fleißig gearbeitet und Steuern und Sozialabgaben bezahlt haben, sind beispielsweise die Renten stärker gestiegen, als es die Sozialpolitiker mit all ihren Mindestsicherungsniveaus und doppelten Haltelinien je hätten bewirken können.

Deshalb ist die Debatte über die Steuerkonzepte der Parteien skandalös schief. Der Bürger soll sich mit dem begnügen, was die Finanzminister übrig behalten. Dabei wäre es höchste Zeit, einmal laut „Danke“ zu sagen. Die Wähler haben den Staat durch Fleiß, Lohnverzicht, und Steuern so komfortabel ausgestattet, dass er seine Aufgaben prima erledigen könnte. Den Rest muss er zurückgeben. Jetzt.

Ursula Weidenfeld schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne im Tagesspiegel am Sonntag.

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