Debatte zur Flexibilität im Strommarkt: Energiehändler rufen laut nach Flexibilität – aber bitte auf den starken Schultern des Marktes
Um die Systemkosten insgesamt zu verringern, muss jeder Flexibilitätsanbieter den gleichen Preissignalen ausgesetzt sein, schreibt Barbara Lempp (EFET). Darüber hinaus fordert sie eine Aufhebung des Mark-up-Verbots, welches Unternehmen mit einer marktbeherrschenden Stellung untersagt, Strom zu einem Preis oberhalb ihrer Grenzkosten anzubieten. Ein Debattenbeitrag.
Manche wundern sich, dass sich die Energiehändler in den letzten Monaten immer mehr für das Thema Flexibilität interessieren. In der öffentlichen Wahrnehmung finden sie indes wenig Gehör. Das liegt wohl daran, dass andere Marktteilnehmer wie große Industrieunternehmen, Speicherbetreiber und nicht zuletzt die großen und kleinen Stromerzeuger in diesem Thema eine Chance sehen, die durch die Energiewende gebeutelte oder aufgezerrte Ertragsbilanz mit neuem Leben zu füllen. Doch was reizt die Händler an der Verbesserung der Systemflexibilität?
Aus Sicht der Händler ist ihrem ewigen Traum, dem perfekt funktionierenden Markt die Flexibilität immanent. Der Markt funktioniert nur dann wohlfahrtsstiftend, wenn keine Überkapazitäten bestehen und nur die Marktpreise zu Investitionen für Flexibilität und neue Erzeugungsanlagen führen. Wenn man darauf vertraut, benötigt niemand zusätzliche, zum Teil hochkomplizierte Systeme zur Kopplung starrer, staatlich vorgegebener Umlagen mit dem schwankenden Marktpreis. Die derzeit in Berlin diskutierte dynamische EEG-Umlage ist ein gutes Beispiel für diese Art von Rohrkrepierern.
Bei dieser soll die Höhe der Umlage auf EEG-geförderten Strom an die Entwicklung des Börsenstrompreises gekoppelt werden. Die Verbraucher können dann entsprechend reagieren und bei hohen Börsenstrompreisen und einer hohen EEG-Umlage den Stromverbrauch reduzieren und folglich Kosten sparen. Handelsseitig betrachtet ist dieses Modell aus Sicht eines funktionierenden Strommarktes in Deutschland und Europa zum Scheitern verurteilt: Solche Maßnahmen verzerren die Differenz aus hohen und niedrigen Preisen und führen zu unterschiedlichen Anreizen beim Einsatz von Erzeugungsanlagen, Speichern und nachfrageseitigen Ressourcen. Nicht zuletzt im Kontext eines hoffentlich bald vollendeten europäischen Binnenmarktes ist eine händische Korrektur der Preisstruktur auf einem nationalen Markt völlig kontraproduktiv.
Darüber hinaus zeigt nicht nur die Kunst, dass farbenfrohe Bilder oft mehr Ausdruckskraft haben als triste. Ein Markt lebt von Vielfalt. Vielfalt bedeutet möglichst viele, heterogene Mitspieler. Auch Verbraucher sollten das Puzzle des Regelenergiemarktes vervollständigen und in der Lage sein, direkt oder indirekt am Regelleistungsmarkt teilzunehmen, ohne dass Entgelte oder Sonderabgaben für die Verschiebung von Last dies behindern. Umgekehrt heißt das aber auch, dass Verbraucher keine Sonderbehandlung erfahren dürfen. Sonst droht wieder das alte Spiel: der Markt verzerrt sich, ineffiziente Abläufe und Technologien werden teuer gefördert und das neudeutsche level playing field gerät schnell außer Sichtweite.
Es bringt dem System langfristig nichts, wenn der Staat bestimmte Flexibilitätsanbieter wie z. B. neue Speicher mit Subventionen überversorgt oder durch Bevorzugung gesondert fördert. Dies verdrängt günstigere und systemkostenmindernde Flexibilitätsanbieter und lässt die volkswirtschaftlichen Kosten rund um die Energieversorgung weiter ansteigen. Wer glaubt noch, dass die Fahnenstange der Kosten wie der Turmbau zu Babel endlos in den Himmel wachsen kann?
Jeder Anbieter (Erzeuger, Speicher oder Nachfrage) muss den gleichen Preissignalen ausgesetzt sein. Nur dann kann das Darwinsche Gesetz greifen. Aus diesem Grund fordern die Energiehändler auch die Aufhebung des Mark-up-Verbots. Alle Handelsteilnehmer, ob groß oder klein, sollen ihre Preis gleich welcher Höhe in den Markt hineinbieten können. Dass sie am Ende mit ihrem Angebot möglicherweise auf der Strecke bleiben und keinen Preis für ihre Ware oberhalb der Grenzkosten erhalten, ist unternehmerisches Risiko. Das gehört mit zur Wahrheit, wenn man an die freie Preisbildung wirklich glaubt. Nur Preisspitzen zuzulassen, reicht da bei weitem nicht aus.
Barbara Lempp ist Geschäftsführerin von EFET Deutschland - Verband Deutscher Gas- und Stromhändler e.V.. Ihr Beitrag erscheint im Rahmen der Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings zur Flexibilität im Strommarkt. Alle Debattenbeiträge finden Sie hier.
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Barbara Lempp
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