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"Was Patienten vor allem erwarten dürfen, ist ein Gesetzgeber, der seiner Verantwortung gerecht wird."

© dpa

Debatte zur Krankenhausreform: Die Flucht vor unpopulären Entscheidungen

Bestehende Qualitätsmängel in den Kliniken sind das Resultat langjährigen politischen Versagens. Bund und Länder müssen ihrer Verantwortung endlich gerecht werden, so die Forderung des Interessenverbandes kommunaler Krankenhäuser. Ein Debattenbeitrag

Mit viel Selbstlob spricht die Politik in Bund und Ländern vom Krankenhausreformgesetzentwurf als einer "Weiterentwicklung im Interesse der Patienten", die zukünftig sichere, erreichbare und gute Kliniken erwarten dürfen. Schlechte Qualität soll fortan durch Abschläge und letztlich Wegfall aus dem Krankenhausplan bestraft werden. Soweit, so gut, möchte man meinen. Wäre da nicht die Frage nach den Voraussetzungen, derer Qualität im Krankenhaus bedarf: zeitgemäß modern ausgestattete Betriebsstätten, einen an den Aufgaben orientierten, motivierend und qualitätssichernd wirkenden Personalschlüssel sowie die dafür erforderlichen Finanzmittel.

In allen drei Bereichen hat der Gesetzgeber in Bund und Ländern in den zurückliegenden Jahren versagt. Diese Tatsache anders zu benennen, hieße die Augen vor der Realität zu verschließen. Weder waren die Kliniken in der Lage, die aus der gesetzlichen Verantwortung der Länder für die angemessene Finanzierung notwendiger Investitionen in Bau und medizinisches Gerät resultierenden Milliarden einzutreiben, noch hat es seitens der Kostenträger eine auch nur ansatzweise auskömmliche Finanzierung der Personalkostenanteile in den Fallpauschalen gegeben. Vor allem diese Versäumnisse sind ursächlich für den heutigen Ist-Zustand in den Krankenhäusern und insoweit auch für vermeintlich oder tatsächlich bestehende Mängel an der Qualität.

Bernhard Ziegler, Vorsitzender des Interessenverbandes kommunaler Krankenhäuser
Bernhard Ziegler, Vorsitzender des Interessenverbandes kommunaler Krankenhäuser

© Klinikum Itzehoe

Womit nicht gesagt ist, dass grundsätzlich mehr Geld in das System gesteckt werden muss. Doch das System, wie es sich heute darstellt, und welches sich als Ergebnis politischer Vorgaben präsentiert, ist chronisch unterfinanziert.

Der Kardinal-Fehler in der Politik liegt sicher in ihrer Flucht vor unpopulären Entscheidungen begründet. Auch jetzt wird seitens der Politik die Verantwortung der Kliniken betont, Qualität und Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. Dass die beim Gesetzgeber liegende Verantwortung zur Strukturierung des bedarfsgerechten Systems über Jahre hinweg ignoriert worden ist, wird unter den Teppich gekehrt.

Wenn es so ist, wie politisch diagnostiziert wird, dass das Land zu viele Betten in zu vielen Krankenhäusern unterhält, reicht es nicht aus, Elemente des Wettbewerbs und der Marktwirtschaft zu implementieren, um Wirtschaftlichkeit zu erzielen. Notwendig wäre gewesen, zuerst die angemessenen Strukturen zu definieren, bevor eine darauf abgestimmte Budgetplanung nachhaltig tragfähig und erfolgreich sein kann. Hierzu hat die Politik in Bund und Ländern bislang die Kraft nicht gehabt. Und sie hat sie - wie es aussieht - auch nicht in diesen Zeiten historischer Mehrheiten der Großen Koalition.

Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings
Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings

© TPM

Nach dem Wettbewerb soll nun die Qualität bemüht werden, um Kliniken "vom Netz" nehmen zu können (Jens Spahn). Der Gedanke ist pervers: die einstmals besten Krankenhäuser Europas werden durch als "Reformen" verbrämte Sparprogramme heruntergewirtschaftet, um nun das Mantra der Qualität herunter zu beten, welche Patienten erwarten dürften. Was Patienten vor allem erwarten dürfen, ist ein Gesetzgeber, der seiner Verantwortung gerecht wird. Schafft es die Große Koalition nicht, als Voraussetzung einer tragfähigen und zukunftsfesten Reform zunächst die Strukturen der Versorgung zu definieren, wird dem Krankenhauswesen in Deutschland nur eine Instanz bleiben, das Bundesverfassungsgericht.

Bernhard Ziegler ist Chef des Krankenhauses in Itzehoe (Schleswig-Holstein) und Vorsitzender des Interessenverbandes kommunaler Krankenhäuser. Der IVKK vertritt die Interessen der rund 600 kommunalen Kliniken in Deutschland aus der Perspektive der wirtschaftlich verantwortlichen Geschäftsführungen. Sein Beitrag erscheint im Rahmen der Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings zur Krankenhausreform. Alle Debattenbeiträge finden sie hier.

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Bernhard Ziegler

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