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Politik: „Defizite“ bei Aufarbeitung des SED-Staats

Berlin - Die mangelnde Vernetzung der Archive, Sammlungen und Dokumentationszentren, die facettenreiche Topografie von Lern- und Gedenkorten, so die Beurteilung der vor einem Jahr von der rot-grünen Bundesregierung beauftragten zehnköpfigen Expertenkommission, hat „trotz aller Leistungen eine Reihe von Defiziten“ in der historischen Aufarbeitung der SED-Diktatur hervorgebracht. Dies geht aus dem „fünften Entwurf“ eines vertraulichen, 21-seitigen Papiers hervor, dessen Endfassung am Donnerstag Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) offiziell übergeben werden soll.

Berlin - Die mangelnde Vernetzung der Archive, Sammlungen und Dokumentationszentren, die facettenreiche Topografie von Lern- und Gedenkorten, so die Beurteilung der vor einem Jahr von der rot-grünen Bundesregierung beauftragten zehnköpfigen Expertenkommission, hat „trotz aller Leistungen eine Reihe von Defiziten“ in der historischen Aufarbeitung der SED-Diktatur hervorgebracht. Dies geht aus dem „fünften Entwurf“ eines vertraulichen, 21-seitigen Papiers hervor, dessen Endfassung am Donnerstag Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) offiziell übergeben werden soll. Ohne einen konkreten Zeitpunkt zu nennen, spricht sich die Kommission für eine „gleitende Neuausrichtung“ der Birthler-Behörde aus. Ihre MfS-Bestände sollten „auf lange Sicht“ vom Bundesarchiv übernommen werden.

Zu den Defiziten der gegenwärtigen Aufarbeitung zählen nach Ansicht der Experten „eine nach Ost und West geteilte Wahrnehmung der DDR-Geschichte, die finanzielle Unterausstattung, mangelnde Koordinierung und unzureichende Professionalität einzelner Einrichtungen, das Fehlen einer gemeinsamen Planungsstrategie von Bund und Ländern“ und vor allem die „Vorrangstellung der Dokumentation staatlicher Repression gegenüber Fragen von Widerstand und Anpassung, Ideologie, Parteiherrschaft und Alltag in der Diktatur“. Ihre Wirkungsmechanismen blieben in den 41 überprüften Einrichtungen vielfach „deutlich unterbelichtet“.

Zwar verspricht die Kommission, der Historiker, Publizisten und ehemalige Bürgerrechtler angehören, die gewachsene Vielfalt der Institutionen sichern zu wollen, hält aber eine „Strukturierung, Straffung und gezielte Ergänzung“ für notwendig. Ihr Vorschlag eines „Geschichtsverbundes“ sieht vor, dass die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur einem „Haus der DDR-Aufarbeitung“ vorsteht, das zusammen mit den Archiven der Bürgerbewegung im ehemaligen SED-Parteigebäude an der Torstraße unterkommen könnte und den Themenbereich „Herrschaft-Widerstand-Gesellschaft“ bearbeitet. Das Themenfeld „Überwachung und Verfolgung“ soll im Mittelpunkt eines Forschungs- und Dokumentationszentrums „Diktatur und Geheimpolizei“ stehen, das „mittelfristig“ aus einer verschlankten, rund um die Abteilung Bildung und Forschung gruppierten Birthler-Behörde, der Gedenkstätte Hohenschönhausen und dem Haus 1 in der früheren Stasi-Zentrale Normannenstraße gebildet werden soll. Trotz des für die Forschung unzureichenden Zugangs zu den MfS-Akten nach dem Stasi-Unterlagengesetz und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes sieht die Kommission in der kurzfristigen Übernahme der Bestände durch das Bundesarchiv keine Verbesserung. Ein dritter Schwerpunkt, „Teilung und Grenze“, soll unter Federführung der Gedenkstätte Berliner Mauer dargestellt werden.

Kommissionsmitglied Freya Klier will offenbar nicht allen Empfehlungen folgen. Sie befürchtet, dass vor allem die Gedenkstätte Hohenschönhausen mundtot gemacht werden soll. Ihr Direktor Hubertus Knabe sprach von der Gefahr eines entstehenden „Aufarbeitungskombinats“.

Benedict Maria Mülder

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