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Politik: Dem Frieden helfen

Von Stephan-Andreas Casdorff

In jeder Kanzlerschaft kommt der Zeitpunkt, da muss entschieden werden in einer Weise, die über das bloße Abgleichen von Positionen oder das Austarieren von Gewichten hinausgeht. Wenn es nämlich ums Prinzip geht. In der Kanzlerschaft der Angela Merkel ist es jetzt so weit. Auf sie als Chefin der Regierung wartet eine Führungsaufgabe, in der Bedeutung noch größer als die ihres Vorgängers Gerhard Schröder bei den Geschehnissen im Kosovo: Was tun, nachdem Israels Premier Ehud Olmert Deutschland zum Engagement in einer Friedenstruppe für Nahost aufgefordert hat?

Die Antwort ist, weil aufgeladen mit so vielem, nicht einfach – aber sie muss klar sein. Sie muss ein klares Ja sein. Deutschland darf nicht zögern, muss sich beteiligen am Versuch, Frieden in Nahost zu schaffen; einen Frieden, der Israels Existenz sichert. Das gebietet die Verantwortung, einmal die historische, die 60 Jahre nach der Schoa fortgilt, aber besonders auch die gegenwärtige Verantwortung für die Zukunft. Denn Joschka Fischer, der vormalige Außenminister, hatte immer recht: Ohne Frieden im Nahen Osten wird alles andere nichts.

Darum auch denkt Olmert an Deutschland: Weil es zu alledem, was aus der Vergangenheit in die Gegenwart reicht, jetzt der stärkste Partner im Herzen Europas ist, sein Motor dazu; eines Europas, das gute Nachbarschaft pflegen will. Wenn schon nicht Amerika, der große Freund, dann Deutschland, das sich als Freund über Jahrzehnte gezeigt hat. Hier geht es nicht um das Abtragen einer Schuld, was sowieso nicht gelingen würde, sondern um vitale Interessen der Staatengemeinschaft unter Berücksichtigung des besonderen Verhältnisses zweier Staaten.

Da gehört Deutschland dann an die Seite Frankreichs, das in Arabien Respekt genießt und Einfluss hat. Es kann auf den Libanon einwirken – wie umgekehrt Deutschland nicht alles unwidersprochen hinnehmen muss, was Israel tut. Und darunter ist eine Menge Kritikwürdiges. Wir alle haben die Bilder der toten Kinder vor Augen. Nur ist die Kritik nicht in aller Öffentlichkeit vorgetragen worden, sondern bei denen, die es angeht. Sie sollen sie nicht so einfach überhören. Wer aber den diskreteren Weg wählt, muss dafür sorgen, dass es auch einen gibt, der die Kriegsparteien auseinanderführt.

Das allerdings müssen die Beteiligten wollen. Sie müssen sich dafür entscheiden, dass Deutschland auch mit seiner Bundeswehr im Nahen Osten ist. Das bedeutet: Der Bundestag muss eine eindeutige Willenserklärung abgeben – und die Knesset ebenso. Es müssen Debatten und Abstimmungen stattfinden, die jedem Verantwortlichen bewusst machen, was das bedeutet. Olmert mit seinem mutigen, für ihn und sein politisches Überleben gefährlichen Wunsch muss im Angesicht der Überlebenden der Vernichtungslager bestehen können.

Der Libanon hat bereits einer Friedenstruppe im Grundsatz zugestimmt. Und doch wäre es klug, ihn in die Entscheidung, welche Mitglieder sie haben soll, einzubinden. Das ist Aufgabe der UN; wie überhaupt von ihnen das Mandat zum Einsatz kommen muss. Die größte aller Staatengemeinschaften ist gefordert, weil dieser Krieg sich in einer Weise ausweiten könnte, die zum Weltenbrand führt. Nur als Gedanke: Wenn die Hisbollah politisch gewinnt, hat der Iran politisch gewonnen, und dann ist dessen militärische Atomaufrüstung besiegelt – mit der Folge der politischen Erpressbarkeit der Staaten, die ihn kritisieren. Was, wenn der Iran ein Junktim herstellt zwischen dem Ende der „besonderen Beziehungen“ zu Israel und Öllieferungen und Schutz vor Terror?

Die Bundeswehr hat 7000 Soldaten in der Welt im Einsatz. Sie kann auch den in Nahost schaffen. Es gilt das Primat der Politik – und der kluge Einsatz von Ressourcen. Luftbrücken im Sinne der Zivilität sind sicher willkommen, Angehörige der Pioniertruppe auch, die im Libanon und Israel beim Wiederaufbau helfen. Vielleicht sogar sollen Soldaten an der Grenze zu Syrien wachen. Das alles wäre dann die Erfüllung des Auftrags, den die Bundeswehr immer hatte: Frieden.

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