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Politik: Dem preisgekrönten Häuptling laufen die Leute davon - David Trimble hat mit der Parteibasis zu kämpfen (Kommentar)

Sein Führungsstil ist ungewöhnlich - aber erfolgreich. Kein anderer Chef der protestantischen Bevölkerungsmehrheit Nordirlands hat seine Anhängerschaft je so weit gebracht wie David Trimble.

Sein Führungsstil ist ungewöhnlich - aber erfolgreich. Kein anderer Chef der protestantischen Bevölkerungsmehrheit Nordirlands hat seine Anhängerschaft je so weit gebracht wie David Trimble. Der ehemalige Universitätsdozent für Jurisprudenz ist von Einzelheiten besessen, er zögert lange, prüft und wägt ab, er stößt manchen Wohlgesinnten mit schroffen Kommentaren vor den Kopf. Aber wenn er sich dann mal entschieden hat, den Sprung nach vorne zu wagen, entfaltet er eine sanfte Beredsamkeit und den Blick für die Interessen der gesamten nordirischen Gesellschaft. Viele seiner politischen Gegner aus dem Lager der Nationalisten und Republikaner Nordirlands bedauern ganz offen, dass der Staatsmann Trimble, Friedensnobelpreisträger des Jahres 1998, nur so selten aus seinem Verlies entlassen wird.

Die Tatsache indessen bleibt: Trimble hat von seiner eigenen Partei noch nie eine abschlägige Antwort erhalten - mit Ausnahme des Antrags zur Beibehaltung des Namens RUC für die nordirische Polizei. Aber dieser Ende März gefasste Beschluss wurde am Samstag unter den Tisch gewischt. Er kennt seine Parteibasis, er weiß, was er ihr zumuten kann. Ein forscher Führungsstil mit blumiger Rhetorik über Versöhnung und Geschichte hätte bei Trimbles Wählerschaft wenig Aussicht auf Erfolg. Seine Gegner haben allerdings Mühe, diese fundamentale Wahrheit zu akzeptieren.

Keiner der Protagonisten des nordirischen Friedensprozesses hat sich im Verlauf der letzten fünf Jahre so stark gewandelt wie David Trimble. 1974 plante er noch den Sturz der damaligen schmalen Koalitionsregierung aus gemäßigten Katholiken und einem Teil der UUP. Unmittelbar bevor er im Herbst 1995 als Nachfolger des vergreisten Jim Molyneaux den Parteivorsitz errang, stolzierte er triumphierend an der Spitze einer Oranier-Parade durch das katholische Viertel von Portadown, die Verkörperung rücksichtsloser protestantischer Suprematie. Er galt als Hardliner, aber als artikulierter, energiegeladener Politiker, der dem schleichenden Terrainverlust der Unionisten ein Ende bereiten würde. Viele von denen, die ihn damals wählten, haben es seither bereut, und manche seiner inzwischen loyalsten Anhänger mögen ihn damals nicht gewählt haben.

Trimbles Projekt liegt letztendlich in der Hand der Wähler. Der Trend der letzten Jahre zeigt abwärts. Erst in der vergangenen Woche verlor seine Partei in einer kommunalen Nachwahl einen bislang sicheren Sitz an Pfarrer Paisleys DUP-Partei. Meinungsumfragen zeigen zwar, dass die UUP-Wähler mehrheitlich hinter Trimble und der Koalition mit der IRA-nahen Sinn Fein stehen. Die Frage ist nur, ob die absolute Zahl der UUP-Wähler stabil bleibt. Ein tapferer Häuptling ohne Indianer nützt Nordirland wenig.

Martin Alioth

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