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"Mutti Multikulti", eine israelische Fahne und schräge Plakate: Die Bagida-Demo am Montag in München hätte aus dem Drehbuch einer schrägen Satire stammen können.

© Reuters

Demo des Pegida-Ablegers in München: Bagida ist an Irrationalität nicht zu übertreffen

In München versammelten sich am Montag etwa 1100 Anhänger von Bagida. Die Aufläufe von Pegida gelten in Politik und Medien meist als gefährliche Hetze. Spätestens nach der Demo in München drängt sich jedoch die Frage auf, ob diese Leute überhaupt ernst zu nehmen sind.

Von Frank Jansen

Die Aufläufe von Pegida, Bärgida, Bagida und sonstigen Gruppierungen der islamfeindlichen Bewegung gelten in Politik und Medien meist als gefährliche Hetze. Das ist auch nicht verkehrt, doch spätestens nach der Demonstration der Bagida, „Bayern gegen die Islamisierung des Abendlandes“ am Montagabend in München drängt sich die Frage auf, ob diese Leute überhaupt ernst zu nehmen sind. Das Ausmaß an Irrationalität bei den 1100 Islamgegnern ist kaum zu übertreffen.

Auf den vielen Schildern, die auf dem Platz am Sendlinger Tor hochgehalten oder umgehängt an Bäuchen getragen wurden, sind Sprüche zu lesen, die aus einem Drehbuch für eine schräge Satire stammen könnten. „Putin! Hilf uns, rette uns vor dem korrupten BRD-Regime“ präsentiert ein älterer Mann. Ein etwa gleichaltriger Demonstrant läuft an ihm vorbei, sein Schild ist offenbar aus einem Umzugskarton geschnitzt und hat eine längere Botschaft: „Muslime jetzt taufen lassen das ist das Bekenntnis das ihr zeigen solltet statt Showveranstaltung machen“. Auch die Rückseite ist beschriftet. „Ich will kein Nordirland deshalb stoppt den Islam in Europa.“ Dass in Nordirland militante Christen aufeinander losgingen und der Islam in diesem Konflikt nicht einmal am Rande vorkam, scheint den Parolenschreiber nicht zu irritieren. Er beantwortet auch keine Frage, er läuft weiter.

„Wir müssen unsere Freiheiten schützen"

Ein Mann zeigt ein Schild mit der Aufschrift „Islam bringt Terror“. Daneben steht ein Demonstrant mit einer ähnlich einfachen Mitteilung: „Der Islam ist eine Kultur des Todes“. Ein jüngerer Mann mit ernstem Gesicht demonstriert beidhändig. In der rechten Hand hält er ein Schild mit der Aufschrift „Pegida Wir sind die Guten“. Die linke Hand schwenkt eine Israel-Fahne. Außerdem hat sich der Mann eine litauische Fahne um den Hals geknotet, auf dem Tuch pappt auch ein Aufkleber „Je suis Charlie“. Immerhin gehört der gut gerüstete Mann zu den wenigen, die eine Antwort geben.

Er sei Litauer und lebe in München, sagt er. „Wir müssen unsere Freiheiten schützen und dafür stehen, dass keine Islamisten unsere Rechte nehmen können“. Was hat das mit Israel zu tun? „Israel ist eine Demokratie umgeben von nichtdemokratischen Staaten.“ Und er betont, „ich bin hier, weil der Islam eine große Bedrohung für unsere Freiheiten ist“. Das muss dann aber auch als Auskunft reichen.

Eine Frau nähert sich, vor dem Oberkörper hängt ein Schild mit dem Satz „Barbarossa wach auf“. Was soll das bedeuten? „Barbarossa war ein deutscher Kaiser“, doziert sie, „er schläft im Kyffhäuser und soll aufwachen, um Deutschland zu einen“. Die Frage, was eine Sagengestalt wie der mittelalterliche Stauferherrscher heute ausrichten könne, beantwortet die Frau durchaus selbstbewusst. „Deutschland ist gespalten in extrem links und extrem rechts“, sagt sie. Auf die Frage, ob es nichts zwischen den Extremen gebe, stimmt sie eine Klage an.

„Mutti Multikulti“

„Es wird sich nicht gekümmert um ein schwelendes Thema“, der Blick wirkt traurig, „Patriotismus, Nationalismus, wird immer negativ dargestellt“. Dann schwenkt sie zu den „Parallelgesellschaften, die sind gefährlich“. Weiter geht es zur Völkerwanderung, „die hat es immer gegeben, aber sie darf nicht so schnell sein“. Und überhaupt: "Ich finde, dass wir eine Dekadenzerscheinung haben, Libertinismus, die Familien sind kaputt, die Religion ist kaputt". Sie denkt kurz nach, „da haben die Muslime wirklich recht“. Doch bevor das Feindbild wegbricht, besinnt sie sich wieder, „aber die Muslime haben nur eine Agenda, uns zu unterwandern“. Das habe sie in Indien gesehen, „da sind die Muslime nur 13 Prozent der Bevölkerung, aber überall ruft der Muezzin, da scheppern die Wände“. Ein älterer Mann, der schon unruhig guckt, raunt ihr zu, sie solle aufhören, mit dem Reporter zu reden. Ein paar Meter entfernt schwenkt ein Mann ein Schild mit der unvermeidlichen Parole „Lügenpresse“.

Beliebt sind auch Schilder, auf denen Angela Merkel ein islamisches Kopftuch umgehüllt ist. „Mutti Multikulti“ steht darunter. Ein Mann hält ein Schild vor dem Bauch, auf dem die Grünen-Politiker Cem Özdemir und Claudia Roth zu sehen sind, beide mit geschlossenen Augen und eng beieinander. Die Botschaft lautet „Multikulti Endstation“.

Stürzenberger gibt den Einpeitscher

Reden werden auch gehalten. Vor allem Michael Stürzenberger, Vorsitzender der Minipartei „Die Freiheit“, heizt der Menge ein. Er wettert in kurzen Sätzen gegen den Islam und streut immer wieder die üblichen Pegida-Parolen ein, „Wir sind das Volk“ und „Lügenpresse“. Die Menge skandiert eifrig. München bekommt davon allerdings nicht allzu viel mit. Die 12 000 Gegendemonstranten sind mit ihren Rufen viel lauter. „Haut ab, haut ab“ schallt über die Polizeiketten und Absperrgitter. Dennoch können die Bagida-Leute schließlich ein paar hundert Meter in Richtung Stachus laufen. Dort gibt wieder Stürzenberger den Einpeitscher. Als Antwort auf die Terrordrohung gegen den Pegida-Wortführer Lutz Bachmann, die ein Grund für die Absage des Auflaufs in Dresden war, ruft Stürzenberger „wir sind Lutz! Wir sind Lutz!“ Die Demonstranten rufen mit. Und sie runden die Realsatire mit einer Parole ab, die kaum jemand Bagida zugetraut hätte. Auf das ständige „Nazis raus!“ der Gegendemonstranten erschallt am Stachus die Antwort der Bagida, gerufen mit ausgestreckten Zeigefingern zu den anderen: „Nazis raus! Nazis raus!“ Ein Islamfeind kann das erklären. Die Gegendemonstranten seien doch alles „rote Faschisten“.

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