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Demokraten-Parteitag: Happening der Harmonie

Die US-Demokraten nominieren Barack Obama zum Präsidentschaftskandidaten – in der Regie Hillary Clintons.

45 Jahre nach der „I have a dream“-Rede des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King ist erstmals ein Afroamerikaner offizieller Präsidentschaftskandidat in den USA. Die Demokraten nominierten am dritten Tag ihres Parteitreffens Barack Obama, der die innerparteilichen Vorwahlen gegen Hillary Clinton gewonnen hatte. In der Nacht zu Freitag wollte Obama die Nominierung vor mehr als 70 000 Zuschauern im Sportstadion von Denver annehmen. Sein Auftritt fiel auf den Jahrestag der Rede, in der King ein Amerika beschworen hatte, in der alle Bürger gleiche Chancen erhalten. Es war zugleich der Jahrestag der Zerstörung von New Orleans durch Hurrikan „Katrina“; die schleppende Katastrophenhilfe gilt als Beispiel des Versagens der Regierung von George W. Bush.

Wie am Dienstagabend, als Hillary Clinton ihre bedingungslose Unterstützung für Obama erklärt hatte, feierten die Demokraten ihre wiedergefundene Einigkeit den ganzen Mittwoch weiter. In mitreißenden Reden verbreiteten Ex-Präsident Bill Clinton und John F. Kerry, der 2004 Bush unterlegen war, Kampfgeist gegen die Republikaner und priesen die Eignung Obamas als Präsident und Oberbefehlshaber der Streitkräfte.

Den Abend beschloss Vizekandidat Joe Biden. In der Sprache einfacher Bürger schilderte er deren Alltagssorgen, voran die Geldnöte angesichts der Immobilienkrise und steigender Energiepreise. Dem Republikaner John McCain warf er vor, er wolle Bushs gescheiterte Politikansätze fortsetzen. „John kapiert es einfach nicht. Barack weiß Bescheid.“ Er endete: „Jetzt ist unsere Zeit gekommen.“

Als der Parteitag Biden noch laut umjubelte, trat seine Frau Jill neben ihn und verriet: „Wir haben einen Überraschungsgast.“ Biden fragte mit echtem oder gut gespieltem Erstaunen: „Wer?“ Dann erschien Barack Obama. Er hatte bis dahin Wahlkampf in umkämpften „Swing States“ fern von Denver geführt. Ein weiteres Mal entluden sich die aufgestaute Spannung und die Erleichterung der vielen Tausend Delegierten und Gäste in tosendem Applaus und Sprechchören.

Offenkundig führte eine unsichtbare Hand Regie. Vor dem Parteitag hatte es geheißen, die von Clinton-Anhängern geforderte Abstimmung über den Kandidaten der Partei bedrohe die Einheit, falls zu viele für Hillary stimmen. Nun wurde auch dieser „roll call“, in dem alle 50 Einzelstaaten nach und nach erklären, wem sie wie viele Delegierte geben, in ein Happening der Harmonie verwandelt. Bis Buchstabe „M“ teilten sich die Stimmen auf, mit großem Vorsprung für Obama. Dann erklärte sich New Hampshire – der erste Staat, den Hillary und damit überhaupt eine Frau in den Vorwahlen gewonnen hatte – „im Geist der Einheit“ geschlossen für Obama. New Jersey folgte dem Beispiel. New Mexico verschenkte seine Delegierten an Illinois, den Heimatstaat Obamas. Der reichte dieses Stimmenpaket, symbolisch großzügig, an New York weiter, die neue Heimat der Clintons.

Nun griff Hillary ein. Sie beantragte, den „roll call“ abzubrechen. Der Parteitag möge „Barack Obama durch Akklamation einstimmig zum Kandidaten“ erklären. Ein zustimmendes „Aye!“ aus Tausenden Kehlen war die Antwort.

Wenig später stand Bill Clinton am Mikrofon. Mit Witz, Pathos und Selbstlob zog er eine Linie von seiner Kandidatur 1992 zu Obamas 2008. „Hillary ist für Barack, ich bin für Barack, da sind wir schon mal zwei. Oder besser: Wir sind 18 Millionen, denn ich möchte, dass alle, die in der Vorwahl für Hillary waren, jetzt Barack wählen.“ Die Republikaner behaupteten, der sei zu jung und unerfahren. „Das haben sie über mich auch gesagt.“ Es werde nicht verfangen, denn die Demokraten stünden „auf der richtigen Seite der Geschichte“, 1992 und 2008.

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