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Politik: Demokratische Fassade

Erstmals dürfen bei der Präsidentenwahl in Ägypten mehrere Kandidaten antreten – aber Mubarak hat seinen Sieg bereits gesichert

Sein erstes Ziel hat das ägyptische Regime erreicht: Die Debatte im dreiwöchigen Wahlkampf für die erste Präsidentschaftswahl mit mehreren Kandidaten durfte relativ frei geführt werden. Das wurde auch im westlichen Ausland wahrgenommen und hat vor allem viele Ägypter überrascht. Dennoch wird die Ankündigung von Premierminister Ahmed Nasif, die Wahl selbst werde „fair und frei“ über die Bühne gehen, von vielen Ägyptern und Beobachtern bezweifelt. Das Regime scheint kein Risiko eingehen zu wollen am Wahltag, an dem nach offiziellen Angaben 32 Millionen Ägypter aufgerufen sind, aus zehn Kandidaten, darunter Hosni Mubarak, einen Präsidenten auszuwählen.

So hat sich in den letzten Tagen der Streit zwischen der Obersten Wahlkommission und der Justiz des Landes um die Transparenz der Wahlen zugespritzt. Das Verwaltungsgericht hatte am Sonnabend entschieden, Wahlbeobachter von ägyptischen Nichtregierungsorganisationen dürften in den Wahllokalen anwesend sein und damit eine Entscheidung der Obersten Wahlkommission verworfen. Diese wird von Kritikern als ausführendes Organ der Exekutive kritisiert. Der undemokratische Geburtsfehler wurde bei der Schaffung des Organs begangen, das laut Gesetz über dem Gesetz steht. Beschwerden gegen die Entscheidungen des Gremiums sind nur bei dem Gremium selbst möglich, heißt es da. Und so erklärte die Wahlkommission die Entscheidung des Gerichts für ungültig und verbot die Zulassung unabhängiger Wahlbeobachter. Viele Richter, die die Wahlen überwachen, wollen die Beobachter dennoch im Lokal zulassen, weil sie sich an die Entscheidung des Gerichts halten. Wie die Sicherheitskräfte reagieren werden, ist unklar.

Beobachter gehen davon aus, dass Mubarak auch auf legalem Wege für eine fünfte Amtszeit gewählt würde. Zumal hauptsächlich Anhänger des Regimes eine Wahlkarte haben, die man bereits im Winter beantragen musste, als noch niemand wusste, dass es erstmals eine Auswahl an Kandidaten geben würde. Nur der junge scharfzüngige Aiman Nur von der Al-Ghad-Partei (Morgen) und der ehrwürdige Noaman Goma’a von der historischen liberalen Wafd-Partei konnten in der kurzen Wahlkampfzeit allgemein wahrgenommen werden. Die anderen sieben Kandidaten machten entweder durch ihre Kleidung (osmanischer Tarbusch auf dem Kopf) oder spektakuläre Forderungen nach der Atombombe oder der Rückkehr aller ägyptischen Juden ins Land auf sich aufmerksam. Bisher wurde in einem Referendum über einen einzigen, von der Regierungspartei ausgesuchten Kandidaten abgestimmt – seit 24 Jahren stand nur Mubarak zur Wahl. Unter amerikanischem Druck erließ Mubarak im Frühjahr eine Verfassungsänderung, die eine Wahl mit mehreren Kandidaten einführte.

Wenn das Regime die Hintertür für Fälschungen offen halten will, liegt das vor allem an der Sorge, die Wahlbeteiligung könne ebenso gering sein wie in der Vergangenheit. „Passivität ist die Form des Widerstandes, welche die Ägypter gewählt haben", meint ein politischer Analyst. Drei bis zehn Prozent der Wahlberechtigten stimmten beim Verfassungsreferendum im Mai ab, meint ein kritischer Bericht der Richter – über 50 Prozent waren es nach Angaben des Regimes.

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