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Kabul

© dpa

Demonstration: Afghaninnen wehren sich gegen Ehegesetz

Merkel und Obama haben gegen das geplante Ehegesetz protestiert, nun gehen die betroffenen Frauen selbst auf die Straße: Sie wollen nicht zum Sexobjekt ihrer Ehemänner werden. Rund 1000 Gegendemonstranten sahen das anders und bewarfen die Frauen mit Steinen.

Im Streit um das afghanische Ehegesetz ist es in Kabul zu Zusammenstößen zwischen Befürwortern und Gegnerinnen gekommen. Rund 200 meist schiitische Kritikerinnen hatten sich vor einer ebenfalls schiitischen Hochschule versammelt. In Sprechchören forderten sie Änderungen an dem Gesetz, das Frauen nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt, Geschlechtsverkehr mit dem Ehemann abzulehnen.

Plötzlich stürmten mehr als 1000 Befürworter des Gesetzes aus der Universität. Unter ihnen waren auch etwa 300 Frauen. Sie umstellten die Gruppe und beschimpften die Demonstrantinnen als "Abtrünnige und Sklaven der Christen". Die Situation eskalierte, vereinzelt flogen Steine. Ein Mann etwa bewarf eine der Frauen und rief: "Du Hündin der Westler, verschwinde von hier." Die Polizei versuchte, die Gruppen auseinander zu bringen.

Das Gesetz gilt für die Schiiten

Die meisten der Gegendemonstranten sind Anhänger des schiitischen Klerikers Hajatullah Scheich Mohammad Asif Mohsini. Dieser verteidigt das Eherecht: "Die Medien kritisieren, dass ein Frau sich nicht gegen Sex wehren darf. Das ist nicht wahr. Bei klaren und vernünftigen Gründen oder indem sie ihren Ehemann um Erlaubnis fragt, kann sie dies durchaus."

Beide Gruppierungen gehören der schiitischen Glaubensgemeinschaft an, die etwa 15 bis 20 Prozent der mehrheitlich sunnitischen Bevölkerung Afghanistans stellt. Für sie sollte das Gesetz gelten, das Präsident Hamid Karsai erst nach scharfer Kritik auch westlicher Regierungen - darunter jene von US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel - vorerst gestoppt hatte. Er will es nun erneut überprüfen, allein "Missverständnisse" und Übersetzungsfehler beim Gesetzestext hätten die Empörung ausgelöst.

Kanzlerin Merkel hatte ihre Kritik an dem Gesetz in einem Telefonat mit Karsai zum Ausdruck gebracht. Sie warnte die afghanische Regierung nachdrücklich davor, das umstrittene Recht in Kraft zu setzen. "Dieses Gesetz widerspricht der Gleichberechtigung von Mann und Frau grundlegend und entspricht nicht unseren Wertvorstellungen. Die Zusicherung von Präsident Karsai, das Gesetz an das Parlament zurückzugeben, war dringend notwendig."

Kritiker: Gesetz ist Freibrief für Vergewaltigungen

Mit den Regelungen wollte sich Karsai die Zustimmung der Schiiten bei der anstehenden Präsidentenwahl im August sichern. Die afghanische Verfassung sichert ihnen eine eigene Rechtsprechung zu. In ihr ist zwar auch die Gleichberechtigung von Frauen und Männern festgeschrieben, zugleich müssen aber alle Gesetze konform mit dem islamischen Rechtssystem sein.

Kritiker werten das Gesetz als Freibrief für Vergewaltigung in der Ehe. So heißt es in Artikel 132 des Gesetzes: "Eine Frau ist dazu verpflichtet, die sexuellen Wünsche ihres Ehemannes zu erfüllen." Demnach soll ein Mann jede vierte Nacht bei seiner Frau verbringen und mit ihr mindestens ein Mal in vier Monaten sexuellen Kontakt haben. Befürworter des Gesetzes weisen die Vorwürfe zurück. Sie interpretieren die Regelung als Verpflichtung für den Ehemann - der nach islamischem Recht vier Ehefrauen haben darf -, alle Ehefrauen sexuell zu befriedigen.

Nicht nur in Fragen des ehelichen Geschlechtsverkehrs, auch in anderen Bereichen wird Ehemännern - wie zur Zeit der Taliban-Herrschaft - weitreichende Verfügungsgewalt über ihre Frauen zugesprochen. So darf die Frau das Haus ohne die Zustimmung ihres Gatten nicht verlassen, es sei denn, sie geht zum Arzt, zur Arbeit oder zu einer Bildungseinrichtung. Zudem solle sie sich schminken, wenn ihr Mann dies verlangt. Darüber hinaus darf eine Frau im Fall des Todes ihres Mannes nichts von diesem erben. (sba/dpa/rtr)

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