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Politik: Demut statt Ehrgeiz

Die deutschen Protestanten wählen auf ihrer Synode einen Nachfolger für Bischof Huber. Landesbischöfin Käßmann hat gute Chancen – obwohl sie geschieden ist

Um das Spitzenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland wird kein Wahlkampf gemacht. Es gibt auch keine Bewerber. Denn in der Kirche heißt es: demütig sein, bloß keinen Ehrgeiz zeigen! Dazu passt auch, dass die Synode, das oberste Kirchenparlament der Protestanten, ab Sonntag in Ulm tagt, aber erst am Dienstag der wichtigste Tagesordnungspunkt an der Reihe ist: die Wahl des neuen Rates der EKD, des obersten Leitungsgremiums. Am Mittwoch bestimmen die neuen Ratsmitglieder aus ihrer Reihe den Ratsvorsitzenden, der dann die 25 Millionen deutschen Protestanten für sechs Jahre in der Öffentlichkeit vertritt. Der amtierende Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber ist 67 Jahre alt und nach evangelischem Verständnis zu alt für das Amt.

Für die Wahl zum EKD-Rat hat eine Auswahlkommission 22 Kandidaten aufgestellt, aus denen 14 Personen ausgewählt werden. Dazu ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Unter den Kandidaten sind neun Bischöfe und Kirchenpräsidenten, die an der Spitze einer Landeskirche stehen. Außerdem treten zehn Laien an, unter anderen der CDU-Politiker Hermann Gröhe, die Berliner Architektin Gesine Weinmiller, Deutsche-Bank-Direktorin Marlehn Thieme oder die FDP-Politikerin und Vorsitzende des Berliner Domkirchenkollegiums Irmgard Schwaetzer.

Die Synodalen werden entscheiden, ob die evangelische Kirche bereit ist für eine Frau an ihrer Spitze – für eine geschiedene Frau. Denn als Favoritin für das Amt der Ratsvorsitzenden gilt die 51-jährige Margot Käßmann, Bischöfin der hannoverschen Landeskirche. Sie vertritt die Kirche wie Bischof Huber selbstbewusst und wortgewandt vor Mikrofonen und in Talkshows. Aber gerade das macht sie für etliche Synodale suspekt, die sich ganz oben jemanden wünschen, der sich auf die Wirkung nach innen konzentriert und der Synode in der Öffentlichkeit mehr Raum lässt.

Andere können sich keine Geschiedene als oberste Repräsentantin vorstellen, weil sie den hohen Wert der Ehe nicht glaubwürdig vertreten könne. Als zweiter aussichtsreicher Kandidat wird der gastgebende württembergische Landesbischof Frank Otfried July genannt. Er hat gelernt, in seiner Landeskirche unterschiedliche Frömmigkeitsstile zu vereinen, von den strengen Pietisten bis zu liberalen Gemeinden. July wird am Sonntag den Eröffnungsgottesdienst halten und dadurch seine Chancen beeinflussen. Auch der badische Bischof Ulrich Fischer wird als möglicher Spitzenmann gehandelt. Beide sind wie Käßmann Bischöfe lutherischer Kirchen. Andererseits hat auch der lebenslustige rheinische Präses Nikolaus Schneider viele Anhänger. Er ist ein „Unierter“. Und es wäre nicht das erste Mal, dass das Kirchenparlament jemanden an die Spitze wählt, mit dem niemand rechnet.

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