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Den Haag: Strafgerichtshof stellt Haftbefehl gegen Präsidenten Sudans aus

Historische Entscheidung in Den Haag: Rund sechs Jahre nach dem Ausbruch des Darfur-Konflikts hat der Internationale Strafgerichtshof am Mittwoch einen Haftbefehlgegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgestellt.

Al-Baschir ist der erste amtierende Staatschef der Welt, der von dem Gericht mit Haftbefehl verfolgt wird. Der Sudan sprach umgehend von einer "amerikanisch-europäischen Verschwörung". Menschenrechtsorganisationen begrüßten die Entscheidung. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier rief den Sudan auf, den Haftbefehl gegen Al-Baschir zu respektieren.

Die Ermittlungsrichter des Internationale Strafgerichtshofs (IStGH) ließen sieben von zehn konkreten Begründungen für den Haftbefehl zu, den Chefankläger Luis Moreno-Ocampo bereits im Juli 2008 beantragt hatte. Dabei akzeptierten sie nicht, dass der Präsident auch wegen Völkermords belangt werden sollte. Der Staatsanwaltschaft sei es nach Einschätzung der drei Ermittlungsrichter bislang nicht gelungen, Al-Baschir eine klare "völkermörderische Absicht" zweifelsfrei nachzuweisen, erklärte die juristische Administratorin des Gerichts, Silvana Arbia. Allerdings könne der Haftbefehl gegen Al-Baschir später um diesen Vorwurf erweitert werden, wenn es neue Erkenntnisse gebe.

Ankläger: Direkte Führungsrolle in Darfur

Zugleich mit der Ausstellung des Haftbefehls forderte der IStGH die Regierung des Sudans auf, Al-Baschir an den Gerichtshof in Den Haag auszuliefern. Sollte sie dem nicht nachkommen, werde die Angelegenheit dem UN-Sicherheitsrat in New York übergeben. Der Haftbefehl listet als Verbrechen gegen die Menschlichkeit die mutmaßliche persönliche Verantwortung Al-Baschirs für Morde, Vertreibungen, Folterungen und Vergewaltigungen in der Darfur-Region auf. In zwei Fällen von Kriegsverbrechen werden ihm gezielte militärische Angriffe auf die Zivilbevölkerung sowie Plünderungen vorgehalten.

Chefankläger Moreno-Ocampo sagte, er habe "einen starken Fall" gegen Al-Baschir. Alle Vorwürfe seien beweisbar. Dafür könne er unter anderem 30 Zeugen aufbieten, die eine direkte Führungsrolle Al- Baschirs bei der Organisierung von Verbrechen an der Zivilbevölkerung der Darfur-Region belegen würden. In Darfur seien 35.000 Menschen unmittelbar ermordet worden.

Seit sich 2003 in der westsudanesischen Region Rebellen gegen die Regierung erhoben, die darauf mit ungezügelter militärischer Gewalt reagierte, kamen dort nach UN-Schätzungen 300.000 Menschen ums Leben, vor allem durch Hunger und Krankheiten. Etwa 2,7 Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen.

Proteste in Khartum

In der sudanesischen Hauptstadt Khartum versammelten sich nach Bekanntwerden der Entscheidung Tausende von Anhängern des Präsidenten. Sie riefen "Gott ist groß" und "Mit unserer Seele und unserem Blut verteidigen wir dich, Al-Baschir". Die Regierung erklärte nach Angaben des Nachrichtensenders Al-Arabija, der Haftbefehl sei "eine Form von Neokolonialismus". In einer über die Botschaften des Sudans verbreiteten Erklärung hieß es, der IStGH sei Teil einer Verschwörung der USA und Europas. Der Haftbefehl sei ein "politischer Akt", mit dem die Souveränität und Unabhängigkeit des Sudans verletzt werde.

In einer ersten Reaktion gegen internationale Hilfsorganisationen forderte der Sudan die Ärzte ohne Grenzen zum Rückzug aus Darfur auf. Internationale Mitarbeiter an mehreren Einsatzorten seien angewiesen worden, die Region noch am selben Tag zu verlassen, teilte die Organisation in Paris mit.

Human Rights Watch: Kein Freipass für Präsidenten

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erklärte, der IStGH-Haftbefehl gegen Al-Baschir zeige, dass "auch die an der Spitze für Massenmord, Vergewaltigung und Folter zur Verantwortung gezogen werden". "Auch Präsidenten bekommen keinen Freipass für grausame Verbrechen", betonte Richard Dicker von Human Rights Watch. Ähnlich äußerten sich auch Amnesty International und weitere Organisationen.

Außenminister Steinmeier sagte in Berlin, der Internationale Strafgerichtshof sei ein Garant dafür, "dass schwere Verbrechen nicht straflos und die Opfer nicht ungesühnt bleiben". Gleichzeitig mahnte er eine besonnene Reaktion an. Dazu gehöre auch die Einhaltung internationaler Regeln zum Schutz ausländischer Missionen und Nichtregierungsorganisationen. Die Grünen begrüßten den Haftbefehl ausdrücklich. "Er war lange überfällig und ist ein Meilenstein im Einsatz für internationale Gerechtigkeit und Menschenrechte", sagte die außenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Kerstin Müller. (küs/dpa)

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