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Politik: "Den UN droht der Verlust der Glaubwürdigkeit"

Rechtzeitig vor dem Beginn der Generalversammlung an diesem Samstag wollten die Vereinten Nationen eigentlich die "Umfassende Terrorismuskonvention" verabschieden - der nur zu berechtigte Wunsch droht nun ganz zu scheitern. Die Konvention definiert detailliert terroristische Straftatbestände und würde, wenn sie in Kraft tritt, erstmals eine weltweit einheitliche Rechtsgrundlage für die Verfolgung terroristischer Verbrechen, für die Auslieferung von Terroristen und für ihre Verurteilung bieten.

Rechtzeitig vor dem Beginn der Generalversammlung an diesem Samstag wollten die Vereinten Nationen eigentlich die "Umfassende Terrorismuskonvention" verabschieden - der nur zu berechtigte Wunsch droht nun ganz zu scheitern. Die Konvention definiert detailliert terroristische Straftatbestände und würde, wenn sie in Kraft tritt, erstmals eine weltweit einheitliche Rechtsgrundlage für die Verfolgung terroristischer Verbrechen, für die Auslieferung von Terroristen und für ihre Verurteilung bieten. Die Initiative dafür wurde vor vier Jahren von Indien eingebracht. Seither wurde intensiv an dem Textentwurf gearbeitet. Nach dem 11. September wollten die Vereinten Nationen die weltweit hohe Motivation nutzen, um die Sache zu Ende zu bringen.

Zum Thema Online Spezial: Terror und die Folgen Themenschwerpunkte: Krieg - Afghanistan - Bin Laden - Islam - Fahndung - Bio-Terrorismus Fotostrecke: Der Krieg in Afghanistan Viel hätte nicht gefehlt. In seltener Einmütigkeit konnten sich die Ländergruppen und Staaten auf den vorliegenden Text verständigen. Selbst die USA, die sonst das Entstehen von UN-Konventionen mit endlosen Sonderwünschen erschweren, zeigten sich kompromissbereit. Die Blockade, die das Zustandekommen der Konvention zum jetzigen Zeitpunkt verhindern könnte, kommt aus einer anderen Ecke. Es sind eine Handvoll "Hardliner" aus der Gruppe der islamischen Staaten, die auf einem fünfwortigen Zusatz zum Text beharren. Vor allem Ägypten und Pakistan, vermutlich unterstützt von Staaten wie Syrien und Irak, treten besonders offensiv und starr auf. Sie kämpfen um eine Zusatzformulierung, nach der "bewaffneter Kampf gegen illegale Besetzung" nicht unter terroristische Straftatbestände fallen darf. Dies wird jedoch von allen anderen Staaten als politische und nicht als juristische Forderung gesehen und abgelehnt. Denn juristisch ist die Frage des Selbstbestimmungsrechts von Völkern eindeutig durch andere Vertragswerke geregelt und wird durch die Konvention nicht berührt.

Nahostkonflikt erschwert Einigung

Hinter der Forderung steht offensichtlich die Befürchtung, dass Israel die Terrorismuskonvention als politische Waffe im Kampf gegen die Palästinenser einsetzen könnte. Der Nahostkonflikt erweist sich damit als verborgener Dreh- und Angelpunkt der stockenden Verhandlungen. Zusätzlich werden in New York aber auch andere Motivationen für das kompromisslose Ausscheren einiger Staaten vermutet: Die Länder, die zum Teil in der Anti-Terror-Koalition schon so weitgehend gemeinsame Sache mit dem Westen gemacht haben, könnten nun ein Ventil brauchen, um oppositionellen, fundamentalistischen Kräften zu demonstrieren, dass sie den Kampf der Palästinenser unterstützen - und nicht alles mitmachen, was die westlichen Länder wollen.

Die Frustration bei allen anderen ist groß, insbesondere weil absehbar ist, dass für die Konvention ein so günstiger Zeitpunkt so schnell nicht wiederkehrt. Nachdem sich das drohende Scheitern des Entwurfs abgezeichnet hatte, begannen hinter den Kulissen die Vermittlungsversuche. Zunächst schickte UN-Generalsekretär Kofi Annan seinen Chefunterhändler Hans Corell los, um auf die Botschafter in der reduzierten Verhandlungsgruppe, darunter die der "Hardliner", Druck auszuüben. In der ersten Novemberwoche traf Annan dann zweimal persönlich - bisher ergebnislos - mit ihnen zusammen und drängte sie in außergewöhnlich klaren Worten zur Einigung auf den Kompromisstext. Ein sehr ungewöhnlicher und mutiger Schritt, so werten es hochrangige Diplomaten. Annan habe dringend gewarnt, dass den Vereinten Nationen ein Glaubwürdigkeitsverlust drohe, wenn sie es nicht schaffen, nach dem 11. September und all den Solidaritätsbekundungen in einer derart wichtigen Frage Einigkeit und moralische Klarheit herzustellen.

Barbara-Maria Vahl

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