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Auf dem Weg nach Deutschland: Deniz Yücel nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis am Freitag in Istanbul.

© Can Erok/dpa

Deniz Yücel zu seiner Freilassung: "Bitterer Nachgeschmack"

Die Umstände seiner Befreiung nennt der Journalist dubios. Andere debattieren, ob es Gegenleistungen gab und Gabriel Außenminister bleiben soll.

Von Hans Monath

Der am Freitag auf freien Fuß gesetzte Journalist Deniz Yücel hat die Umstände seiner Freilassung kritisiert. Noch am 13. Februar habe eine routinemäßige Haftprüfung die "Fortdauer der Untersuchungshaft" ergeben, nur drei Tage später sei er entlassen worden, sagte Yücel in einer ersten Video-Botschaft nach seiner Freilassung, die am späten Freitagabend vom "Freundeskreis #Free Deniz" auf Facebook veröffentlicht wurde. Darin bedankte sich Yücel auch bei der Bundesregierung für ihre Bemühungen sowie bei seinen Anwälten, seiner Familie und allen Unterstützern, die ihm während seiner einjährigen Haftzeit zur Seite standen.

Die Gründe sowohl seiner Inhaftierung vor einem Jahr, als auch seiner Freilassung am Freitag kenne er nicht. Dennoch wisse eigentlich jeder, dass beides nichts mit "Recht, Gesetz und Rechtsstaatlichkeit zu tun" habe, sagte Yücel. Natürlich freue er sich über seine Freilassung, aber es bleibe ein "bitterer Nachgeschmack" zurück.

Den Vorwurf, es habe eine deutsche Gegenleistung für seine Freilassung gegeben, erhob Yücel allerdings nicht. Mitte Januar hatte er aus der Haft heraus einen Tauschhandel zwischen Deutschland und der Türkei für seine Freilassung abgelehnt. "Für schmutzige Deals stehe ich nicht zur Verfügung", erklärte er damals. Er wolle seine Freiheit nicht "mit Panzergeschäften von Rheinmetall oder dem Treiben irgendwelcher anderen Waffenbrüder befleckt wissen". Yücel sprach sich auch gegen einen Austausch mit Anhängern der Gülen-Bewegung aus.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte am Freitag versichert, es habe "keine Verabredungen, Gegenleistungen oder, wie manche das nennen, Deals in dem Zusammenhang" gegeben. Die türkische Regierung habe großen Wert darauf gelegt, dass sie keinen politischen Einfluss auf die Justiz in ihrem Land genommen, sondern lediglich dem deutschen Wunsch nach Verfahrensbeschleunigung nachgekommen sei.

Der SPD-Politiker sagte, die Bundesregierung sei zwar zu einem früheren Zeitpunkt bereit gewesen, Leopard-Panzer der türkischen Armee nachzurüsten. Sie sei von diesem Vorhaben aber abgerückt, nachdem die türkische Armee ihre Offensive in Nordsyrien begonnen habe. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Donnerstag nach dem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim erklärt, es gebe "keinerlei Verbindung zwischen Entscheidungen über Rüstungsgeschäfte und den Fällen wie dem von Deniz Yücel".

Erpresssung? Außenexperte Norbert Röttgen glaubt nicht daran

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen (CDU), nannte die Erklärung Gabriels im Deutschlandfunk "absolut glaubhaft", wonach es keine Gegenleistung gegeben habe. Er habe keinen Zweifel daran, dass sich die deutsche Regierung nicht auf Erpressung eingelassen habe. Röttgen hatte Gabriel zuvor auch im Zusammenhang mit dessen Türkei-Politik mehrfach scharf kritisiert. Dagegen erklärte die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen, es habe eine Gegenleistung der Bundesregierung gegeben, Merkel müsse diese in einer Regierungserklärung erläutern.

Yücel erinnerte in seiner Video-Botschaft auch an andere in der Türkei verhaftete Journalisten, "die nichts anders getan haben, als ihren Beruf auszuüben", sowie an Inhaftierte, "die aus keinem anderen Grund im Gefängnis sitzen, als dass sie eine oppositionelle Meinung haben". Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), versicherte im RBB-Inforadio, die Bundesregierung werde sich nach der Freilassung von Yücel mit gleicher Kraft für andere zu Unrecht Inhaftierte in der Türkei einsetzen.

Gabriels Engagement und Erfolg im Fall Yücel könnten die Chancen des früheren Parteichefs verbessern, sein Amt in einer neuen Bundesregierung zu verteidigen. Mehrere SPD-Politiker verlangten am Sonnabend, er müsse Außenminister bleiben. "Dass Gabriel im symbolbehafteten Fall von Deniz Yücel so überzeugen konnte, ist ein Beleg dafür, dass er die ideale Besetzung für das Amt des Außenministers ist", sagte der frühere Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe (SPD), der "Rheinischen Post". Der amtierende Außenminister habe die Freilassung Yücels zur Chefsache gemacht und umgesetzt. Das sei ein weiterer Beweis für Gabriels "Höchstmaß an Professionalität und seine Gabe, selbst in scheinbar ausweglosen Situationen eine Lösung zu finden".

Auch die mit Fraktionschefin Andrea Nahles um den SPD-Vorsitz konkurrierende Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange sagte, Gabriel mache als Außenminister "eine ganz hervorragende Figur". Es wäre ein großer Verlust, wenn er aufhören würde: "Wir brauchen solche Persönlichkeiten in der Partei."

Zuvor hatte Fraktionschefin Andrea Nahles Gabriel aufgefordert, auf Werbeaktionen zur Rettung seines Postens zu verzichten. "Es ist jetzt nicht an der Zeit, dass einzelne eine Kampagne für sich selbst starten", sagte sie dem "Spiegel". Offenbar war Nahles von der Freilassung Yücels überrascht worden. Die neue SPD-Führung fürchtet, dass Personaldebatten ihr Werben um eine Zustimmung der Mitglieder zum Koalitionsvertrag erschweren.

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