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Politik: Der Anwalt der Folter

Alberto Gonzales wird neuer US-Justizminister – er ebnete Guantanamo den Weg

Am Donnerstag stand in der „Washington Post“ eine Karikatur. Am linken Bildrand sitzt, in eine Ecke gekauert, eine nackte Person. Ihr wurde eine Haube über den Kopf gestülpt, auf der „Senat“ steht. Am rechten Bildrand sitzt, bequem auf einem Stuhl mit lässig übereinander geschlagenen Beinen, ein Mann mit einer Brille. An der Leine hat er drei große Hunde, die die Zähne fletschen und denen der Speichel aus dem Maul tropft. Die Szene erinnert an die Folterungen von Abu Ghraib. Der eingeschüchterte Senat sagt: „Herr Gonzales, wir haben da diese Formalität, die sich Bestätigungsprozess nennt.“ Der Mann mit den Hunden antwortet: „Ach, wie drollig.“

Die Karikatur ist genial. Sie drückt Anklage aus – und gleichzeitig Ohnmacht. Denn kaum einer glaubt, dass Alberto Gonzales, ein langjähriger Vertrauter von US-Präsident George W. Bush und bislang Rechtsberater im Weißen Haus, am Ende nicht nominiert wird. Nach den letzten Wahlen verfügen die Republikaner über eine satte Mehrheit im Senat. Die Anhörungen, die am Donnerstag begannen, werden hart, ja aggressiv sein. Trotzdem wird der 49-Jährige als neuer Justizminister bestätigt werden. Der bissige Kommentar vieler Menschenrechtler lässt sich leicht prognostizieren: Der Täter schlüpft in die Rolle des Aufsehers.

Abu Ghraib, Guantanamo, Patriot Act: Mit zwei Personen sind die Menschenrechtsskandale der Bush-Regierung aufs Engste verknüpft – Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und eben Gonzales. Seine Kritiker schimpfen ihn den „Torture Guy“, den Folter-Typen, oder auch den „Folter-Advokaten“. Im Kampf gegen den Terrorismus ließ er viele Schranken fallen. Gonzales war es, der im Januar 2002 ein Memorandum an Bush verfasste, das zu dem Ergebnis kam, dass die Genfer Konventionen nicht auf die in Afghanistan gefassten mutmaßlichen Al-Qaida-Kämpfer angewendet werden müssen. Damit war die Grundlage für Guantanamo gelegt.

Noch brisanter ist ein anderes Memorandum. Es stammt vom August 2002. Unterzeichnet wurde es vom Chef der Rechtsberatung im Justizministerium, Jay Bybee. Doch Gonzales gab es in Auftrag, unter seiner Aufsicht wurde es erarbeitet. In dem Papier wird die Definition für Folter erheblich eingeengt. Der Krieg gegen den Terror sei ein neuartiger Krieg, in dem alte Paradigmen nicht mehr gültig seien. Dazu zählten die Bestimmungen der Genfer Konvention zur Behandlung von Kriegsgefangenen. Als Folter sei nur verboten, anderen Menschen solche Schmerzen zuzufügen, die in ihrer Intensität mit tödlichen Verletzungen oder Organversagen vergleichbar seien. Mit anderen Worten: Jegliche Pein unterhalb dieses Levels zu verursachen, ist erlaubt.

Unter dem Druck der Folteraffäre hat das Weiße Haus diese Richtlinie inzwischen für ungültig erklärt, die Definition für Folter wieder ausgedehnt. Und Gonzales beteuerte in einer Anhörung, die US-Regierung lehne jede Folter strikt ab. Diese Erklärung indes wird seine Gegner nicht beschwichtigen. „Welches Signal senden wir an den Rest der Welt?“, fragt Wes Boyd von der liberalen Organisation „Move On“, „wenn ausgerechnet jener Mann zum höchsten Rechtsvertreter der Vereinigten Staaten ernannt wird, der die Begründung zur Umgehung der Genfer Konventionen geliefert und die Erlaubnis gegeben hat, dass amerikanische Soldaten foltern dürfen?“

Und in der „New York Times“ bilanziert eine Kommentatorin: Wie schlimm die Lage sei, lasse sich schon daran ablesen, dass jene Person, die der Präsident zum Justizminister erkor, öffentlich erklären muss, die Folter nicht mehr unterstützen zu wollen.

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