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Er galt als Reformer und entpuppte sich als Gaddafi-Nachahmer. Syriens Präsident Baschar al-Assad lässt auf seine Bevölkerung schießen. Die Instabilität Syriens bereitet Israel Sorgen.

© DPA

Nahost: Der bange Blick zum Nachbarn

Durch die Unruhen in Syrien hat sich das Blatt nicht nur für Baschar al-Assad gewendet. Die Nachbarn in Israel warnen: Extremisten könnten die Macht in Damaskus übernehmen.

Schweigen. Dies rät der wohl prominenteste israelische Politikexperte, der ehemalige Spitzendiplomat Alon Pinkas, seiner eigenen Regierung mit Blick auf die Unruhen in Syrien. „Israel sollte das tun, was ihm in den 63 Jahren seiner Existenz kaum jemals gelang: den Mund halten“, meinte Pinkas am Mittwoch ganz undiplomatisch. Bisher hielten sich die Politiker weitgehend an diesen Ratschlag, ohne allerdings ihre Schadenfreude zu unterdrücken.

„Alle haben verloren, und allen tut es jetzt weh“, befanden israelische Diplomaten. Damit meinten sie nicht nur den Iran und die Hisbollah, die traditionellen Verbündeten des syrischen Präsidenten Baschar al Assad, sondern auch den türkischen Nachbarn im Norden, der Syrien gegenüber bislang wohlgesonnen war. Und düpiert sind in den Augen der Diplomaten nicht zuletzt auch die Europäer, die noch zum Beginn dieses Jahres – also vor dem politischen Erdbeben in der arabischen Welt – auf Assad gesetzt und sich dem Machthaber von Damaskus, allen Warnungen zum Trotz, angenähert haben.

Die politische und die militärische Führung in Jerusalem und in Tel Aviv verfolgen die dramatischen Ereignisse in Syrien nicht nur mit verständlichem Interesse, sondern auch mit erheblichen Befürchtungen. Die Einschätzung lautet: Wie auch immer der Machtkampf in Damaskus ausgeht, so dürfte das Ergebnis für Israel eine Verschlechterung der ohnehin schon schwierigen Lage bedeuten. Hochrangige Kreise gehen davon aus, dass sich Assad dank der blutigen Unterdrückung durch die Armee und der ihm treu ergebenen Sicherheitsdienste kurzfristig halten kann. Aber die Würfel, so heißt es weiter, seien gefallen, die Angst der Massen vor der Diktatur sei gewichen. Was über kurz oder lang den Bestand des Assad-Regimes gefährdet.

Syriens Präsident hat noch vor kurzem persönlich die angebliche Unterstützung der Bevölkerung auf seinen unnachgiebigen Kurs gegenüber Israel zurückgeführt und sich damit als Gegenbild zum früheren Kairoer Staatschef Hosni Mubarak inszeniert, der wegen seiner versöhnlicheren Haltung gegenüber Jerusalem über einen geringeren Rückhalt bei der eigenen Bevölkerung verfügt habe. Da ist es auch nur logisch, dass Assad jetzt auch Israel beschuldigt, hinter dem Aufstand gegen ihn zu stecken. Der syrische Staatschef wird, solange er an der Macht bleibt, wohl eine noch kompromisslosere Anti- Israel-Politik betreiben, als dies ohnehin schon der Fall ist.

Für den sehr wahrscheinlichen Fall, dass Assad zu einem späteren Zeitpunkt stürzen sollte, sieht man in Israel zwei mögliche Schreckensszenarien: Als eine Möglichkeit gilt die Machtübernahme durch die vom minoritären Alawiten-Regime brutal unterdrückte sunnitische Muslimbruderschaft oder durch eine stark islamistisch ausgerichtete Koalition. Noch mehr gefürchtet wird ein Machtwechsel zu – in der Öffentlichkeit noch unbekannten – Extremisten, die sich mithilfe der zahllosen im Damaszener Exil wirkenden Terrorgruppierungen an die Staatsspitze setzen könnten. Zu diesen Gruppierungen gehören nicht nur linke Palästinenser, sondern auch die islamistische Hamas. In beiden Fällen kämen Israel-Feinde an die Macht, deren erklärtes Ziel die Zerstörung des jüdischen Staates ist.

In jedem Fall schweigt das offizielle Israel – allen pessimistischen Vorahnungen zum Trotz. Allerdings wurde in Israel am Mittwoch auch die größte Zivilschutzübung aller Zeiten angekündigt. Aus gutem Grund: In Syrien lagern zehntausende Raketen.

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