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Politik: „Der Bund kann nicht nur reparieren“

Der Arbeitsminister will die Schule nicht nur den Ländern überlassen – und hält Geld für zweitrangig

Worum geht es für Deutschland beim Bildungsgipfel, Herr Scholz?

Es geht darum, dass jeder in diesem Land die Chance bekommt, in seinem Leben gut voranzukommen. Und die Voraussetzung dafür sind Bildung und eine Berufsausbildung. Die Bürger interessieren sich nicht dafür, wer in der Verfassung dafür zuständig ist. Sie wollen, dass sich Bund und Länder diesem Ziel verpflichten und daran halten.

Mit dem Begriff der „Bildungsrepublik“ hat die Kanzlerin vielen Menschen Hoffnung gemacht. Steht sie im Wort?

Ich weiß nicht, was sich die Kanzlerin von ihren öffentlichen Ankündigungen versprochen hat. Ich weiß aber, was getan werden muss: Wir müssen besser werden. Dass acht Prozent aller Schüler in Deutschland die Schule ohne Abschluss verlassen, ist ein Politikversagen, das wir uns nicht länger leisten dürfen.

Die SPD regiert seit zehn Jahren.

Und hat viel erreicht. Wir haben es geschafft, die Zahl der Schulabbrecher zu reduzieren und den Ausbau der Kinderbetreuung durchzusetzen. Ab 2013 hat jedes Kind Anspruch auf einen Betreuungsplatz vom ersten Lebensjahr bis zur Einschulung. Wir haben den Ausbau der Ganztagsschulen vorangetrieben und im Rahmen des Ausbildungspaktes die Wirtschaft zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze bewegt. Das ist der richtige Weg.

Wird Bildung das wichtigste Thema im SPD-Wahlprogramm sein?

Bildung ist eines der zentralen Themen unserer Gesellschaft. Es wird deshalb auch in unserem Programm eine zentrale Stellung haben.

Hat Ihnen Frau Merkel nicht das Thema weggenommen?

Am Mittwoch trifft sich die Bundesregierung mit den Bundesländern, um eine gesamtstaatliche Verantwortung wahrzunehmen. Bildung war und ist immer ein Kernthema der Sozialdemokratie. Wir haben das Thema nicht der Union überlassen. Die macht jetzt mit. Wir haben jahrelang daran gearbeitet, dieses Thema auf die nationale Agenda zu setzen.

Sie sind als einziger SPD-Minister beim Gipfel. Sind Sie nun der Bildungsbeauftragte Ihrer Partei?

Als Minister für Arbeit und Soziales bin ich auf jeden Fall derjenige, der zuerst merkt, was dabei herauskommt, wenn die Schulen junge Menschen ohne Abschluss und ohne Befähigung zu einer Ausbildung entlassen. 500 000 Arbeitslose ohne Hauptschulabschluss: Dass wir dringend handeln müssen, ist offensichtlich.

Was muss getan werden?

Wir müssen verbindlich und konkret werden – so wie wir es beim Recht auf das Nachholen des Hauptschulabschlusses auf mein Drängen getan haben. Das muss weitergehen: Die vorschulische Betreuung von Kindern muss ausgebaut werden. Vor der Einschulung muss es eine verbindliche Sprachstandsfeststellung geben, damit wir wissen, wer die deutsche Sprache nicht beherrscht und wem wir vor dem Schulbeginn helfen müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass schon in der Grundschule und der Sekundarstufe I so guter Unterricht stattfindet, dass sich die Zahl der Schulabbrecher halbiert. Im Schuljahr vor dem Abgang benötigen wir darüber hinaus Kompetenzfeststellungen, um zu überprüfen, wer noch zusätzliche Hilfe braucht, damit er den Schulabschluss schafft und für die Berufsausbildung vorbereitet ist. Auch da geht es um Sprachkompetenz. Und letztlich muss bereits in den Schulen die Berufsorientierung beginnen. Im Übrigen hilft ein durchlässiges Bildungssystem. Statt über den Mangel an Hochschulabsolventen und Ingenieuren zu klagen, sollten wir lieber die Universitäten für Meister, Facharbeiter und andere mit Berufserfahrung öffnen. Das ist gerecht und hilft.

Das alles sind Aufgaben der Schulen und damit der Bundesländer, die sich dabei nicht hineinreden lassen wollen.

Da irren Sie. Die Frage muss sein: Wer kann was? Nicht nur: Wer darf was? Bei Berufsorientierung und Kompetenzfeststellung kann die Bundesagentur für Arbeit hervorragende Beiträge leisten. Worum es geht, ist eine gemeinsame Arbeit von Bund und Ländern. Der Bund kann nicht warten und mit Reparaturpaketen bereitstehen, wenn bei vielen jungen Menschen nach der Schule festgestellt wird, dass sie elementare Voraussetzungen für das Berufsleben nicht mitbringen.

Wie viel Geld ist nötig, um Deutschland wirklich zur Bildungsrepublik zu machen?

Allein mit mehr Geld geht das Projekt schief. Vor Finanzierungsfragen steht der Mentalitätswandel. Weiter kommen wir nur, wenn wir jetzt gemeinsame Ziele verbindlich verabreden und danach jeder an seiner Stelle die Voraussetzungen schafft und die nötigen Änderungen angeht – auch materiell. Eines muss aber klar sein: 25 Kinder auf einen Lehrer, das muss der Vergangenheit angehören. An vielen Orten müssen es eher unter 20 sein.

Das Interview führten Stephan Haselberger und Antje Sirleschtov.

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