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Verwaister Plenarsaal. Die Mitglieder des Bundestages werden nicht aus der Sommerpause geholt.

© dapd

Der Bundestag und die Eurokrise: Bloß keine Hektik

Die Eurokrise soll erst im September im Bundestag diskutiert werden. Koalition und SPD sprachen sich gegen Sondersitzung noch in der Sommerpause aus.

Von
  • Hans Monath
  • Antje Sirleschtov

Berlin - Die Reaktion der Bundesregierung und der Europäischen Zentralbank (EZB) auf die dramatische Entwicklung an den Finanzmärkten hat in den Regierungsparteien kaum kritische Stimmen provoziert. Die Fraktionen von Union und FDP wandten sich am Montag gegen den Vorschlag des FDP-Finanzexperten Frank Schäffler, den Bundestag noch vor Ende der Sommerpause zu einer Sondersitzung einzuberufen. Die Forderung werde keine Wirkung zeigen, hieß es aus der Unionsfraktion. Auch in FDP-Kreisen wurde Schäfflers Vorstoß als „Einzelmeinung“ gewertet.

Schäffler äußerte sich besorgt über den Aufkauf von Staatsanleihen aus Italien und Spanien durch die Europäische Zentralbank (EZB). Dies sei der Anfang einerInterventionsspirale, sagte Schäffler. Der Bundestag müsse noch in der Sommerpause darüber beraten. „Ich glaube, dass die Krise sich zuspitzen wird, dass wir nicht Zeit haben bis im September, um diese Dinge zu besprechen“, sagte Schäffler. Dabei müsse das Parlament auf der Einhaltung früherer Beschlüsse gegen Schuldenaufkaufprogramme bestehen.

Bisher ist geplant, dass sich der Bundestag erstmals Anfang September (nach der Sommerpause) mit den Beschlüssen der Regierungschefs der Euroländer vom 21. Juli beschäftigt und darüber bis Ende September abstimmt. In Brüssel werden die Beschlüsse zurzeit konkretisiert, so dass die Bundesregierung ab Mitte August an den Entwürfen für den Bundestag arbeiten kann. Auch in der Spitze der Unionsfraktion hieß es am Montag, es gebe keinen Anlass, den Zeitplan des Parlamentes zu ändern. Die Regierungschefs aus Deutschland und Frankreich hätten ihren Willen bekräftigt, die Beschlüsse vom Juli durch die nationalen Parlamente bestätigen zu lassen. Diese könnten Ende September in Kraft treten. Das reiche aus.

Auch inhaltlich zeichnet sich derzeit noch keine breitere Kritik in der Koalition ab. Zwar sind sowohl bei Union als auch bei der FDP Abgeordnete dezidiert gegen den Aufkauf von Anleihen bedrohter Euroländer durch EZB und den Rettungsschirm, weil sie fürchten, dass dadurch eine Spirale der Vergemeinschaftung der Schulden im Euroraum in Gang gesetzt wird. Allerdings sind die Kritiker in der Minderzahl. Der Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses, Volker Wissing (FDP), rechnet daher fest mit einer großen Mehrheit im Bundestag für die Beschlüsse des Euro-Gipfels. „Als finanzpolitischer Sprecher (der FDP) gehe ich davon aus, dass es eine klare Mehrheit dafür gibt“, sagte Wissing der Nachrichtenagentur Reuters. Er erwarte, dass auch aus den Koalitionsparteien heraus trotz einzelner kritischer Stimmen eine eigene Mehrheit stehe, wenn es etwa um zusätzliche Aufgaben für den Euro-Rettungsschirm EFSF gehe. Auch sein Kollege von der Union, Michael Meister, hatte am Wochenende ähnlich argumentiert.

Die SPD wandte sich dagegen, die Abgeordneten aus der Sommerpause nach Berlin zu holen. „Ich glaube, dass es uns jetzt nicht wesentlich weiterhilft, den Bundestag zu einer Sondersitzung einzuberufen“, sagte Parteichef Sigmar Gabriel nach einer Schaltkonferenz des Parteipräsidiums. Ein solcher Schritt erhöhe auch das „Risiko von Irritationen“ auf den Finanzmärkten. Der SPD-Politiker bekräftigte die Bereitschaft seiner Partei, die Regierungsbeschlüsse zur Stabilisierung des Euro im Bundestag mitzutragen.

Die Uneinigkeit der EU sei die derzeit „größte Gefahr für die Finanzmärkte“, warnte Gabriel. Die „katastrophale Kommunikation“ der Brüsseler Kommission und der EU-Staats- und Regierungschefs müsse unbedingt verbessert werden. Die Bundesregierung müsse nun die Beschlüsse des Brüsseler Sondergipfels von vor rund zwei Wochen umsetzen, sagte Gabriel. Auch der Aufbau einer europäischen Ratingagentur müsse vorangetrieben werden. Um neue Krisen zu verhindern, müssten die EU-Staaten einen 100-Milliarden-Euro schweren Marshallplan auflegen und vor allem in Südeuropa investieren. Die nötigen Mittel könnten nur über eine europäische Börsenumsatzsteuer aufgebracht werden. „Wir brauchen die Finanztransaktionssteuer“, sagte Gabriel.

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