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Politik: Der doppelte Seehofer

Die CSU beugt sich dem Unvermeidlichen – der Bundespolitiker übernimmt in Bayern die Führung

Die Matadore geben sich entspannt: Leutselig schlendern Joachim Herrmann, Thomas Goppel und Günther Beckstein vor der CSU-Parteizentrale in München an dem extra aufgebauten Gitterzaun entlang, der die Medienleute von den eintrudelnden Vorständlern trennen soll. Goppel lobt den „tollen demokratische Prozess“ in dem die CSU ihre Führungsfrage gelöst habe und nennt Triumphator Seehofer „schon eine Art Allzweckwaffe“.

Herrmann will von Gegenleistungen für seinen Verzicht auf eine Kampfkandidatur nichts wissen: „Wie Sie sehen bin ich wohl genährt, ich brauche keine Zuckerl.“ Beckstein beschwört die Einheit der Partei: „Es war immer unsere Stärke, dass wir alle Regionen ausgewogen berücksichtigt haben.“ Fast könnte man meinen, in den letzten Tagen auf einem anderen Planeten gewesen zu sein: Da kämpften Altbayern gegen Franken, Seehofer- Anhänger gegen Seehofer-Feinde, Bundes- gegen Landespolitiker – und um Posten im Zweifel auch jeder gegen jeden.

Doch nach tagelangem harten Machtpoker lassen sich trotz Sehnsucht nach Normalität und demonstrativer Geschlossenheit hinter Seehofer die Gräben nicht einfach zuzuschütten. Der neue Hoffnungsträger arbeitet sich auch nicht erst am Gitterzaun ab. Er stürmt gleich vor die am Ende aufgebauten Kameras, um seine Botschaft mit Breitenwirkung unters Volk zu bringen: Demut und Teamgeist lautet seine Tagesparole: „Befehl und Gehorsam wird es nicht geben“, sagt er in die Mikrofone. Und: Die Aufgabe sei so groß, dass sie einer alleine gar nicht schultern könne. Seehofer weiß , was sein Publikum hören möchte – egal, ob daheim vor dem Fernseher oder in der CSU- Landtagsfraktion.

Ohne große Debatten wird Seehofer vom Parteivorstand und drei Stunden später von der Landtagsfraktion als Ministerpräsident nominiert. Zwar stimmen 16 der 92 CSU-MdL nicht für ihn. Doch gibt es keinen Zweifel, dass er bei der Wahl im Landtag am 27. Oktober auf die geschlossene Unterstützung aus ihren Reihen bauen kann. Zumal die Fraktion aus den Querelen als großer Verlierer hervorgeht: Die persönlichen Wunden, die sich die Fraktionäre zum Teil zugefügt habe, werden nicht so schnell vernarben. Und einer verpassten Chance werden sie nachtrauern: Einen neuen Ministerpräsidenten aus eigener Kraft bestimmt zu haben. Schließlich hatte Seehofer taktisch schlau erklärt, einem Fraktionskandidaten den Vortritt zu lassen, sollte der eine klare Mehrheit haben. Wohl wissend, dass dies angesichts der innerer Zerrissenheit nicht gelingen kann. Nun erfuhren viele Abgeordnete am Dienstag aus den Medien, wen sie zum Regierungschef zu wählen haben. Seehofer kann im Konfliktfall behaupten, von der Mehrheit der Parteibasis aufs Schild gehoben worden zu sein.

Dass mit Georg Schmid noch ein deutlich angeschlagener Fraktionschef wiedergewählt wurde, spielt Seehofer zusätzlich in die Hände. Schließlich wurde der Schwabe – geschwächt durch das mit seinem Namen verbundene Rauchverbot und seine aussichtslose Kandidatur als Ministerpräsident – nicht aus breiter Überzeugung bestätigt. Sondern weil die Abgeordneten der Personaldebatten leid sind.

Richtung Berlin spielte der designierte Parteichef und Landesvater denn auch schon einmal mit den Muskeln: Über die umstrittene Erbschaftsteuerreform werde die CSU sehr hart, damit sie „gut gelingt. Wenn nicht, dann können wir nicht zustimmen“. Kanzlerin Merkel hatte gerade eindringlich an die Kompromissbereitschaft der CSU appelliert. Unions-Fraktionschef Volker Kauder sandte aus Berlin im entbrannten Streit über die künftige Rolle der CSU im Bund schon einmal beschwichtigende Signale und bestätigte das jahrzehntelang bewährte Statut einer gemeinsamen Fraktion.

Viel Macht also für ein bisher von den Mandatsträgern ungeliebtes Alphatier. Dazu viele Scherben nach der Schlacht um Macht und Posten. „Wird trotzdem alles gut?“, wird Seehofer im Treppenhaus des Landtags gefragt. Er lächelt milde und sagt: „Daran glaube ich sogar.“

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