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Es werde Licht. Selbst in Südafrika haben längst nicht alle Bürger Strom – wie hier in Khayelitsha, dem größten Township bei Kapstadt.

© Reuters

Der dunkle Kontinent: Stromausfälle schaden der Wirtschaft in Afrika

Kaum etwas bremst die Wirtschaftsentwicklung mehr als fehlende Elektrizität. Trotzdem gehören Stromausfälle in Afrika zum Alltag. Bislang sind alle Versuche, die Situation zu verbessern, kläglich gescheitert.

Aus dem Weltraum betrachtet, ist Afrika in der Nacht genauso dunkel wie das menschenleere Sibirien oder der arktische Norden von Kanada. Mit seinen rund 1,2 Milliarden Menschen beherbergt der schwarze Kontinent inzwischen zwar fast 17 Prozent der Weltbevölkerung, er erzeugt aber weniger als fünf Prozent der globalen Elektrizität. Rund Dreiviertel seines Stroms werden zudem in Südafrika und im arabischen Norden des Kontinents verbraucht. Rechnet man mit der Kaprepublik Südafrika das einzige Industrieland Afrikas heraus, produzieren die 48 Staaten südlich der Sahara nach Angaben der Weltbank zusammen gerade einmal so viel Strom wie Argentinien.

Seit langem gibt es deshalb immer wieder Bestrebungen, die Stromerzeugung in Afrika massiv zu erhöhen. Die jüngste Initiative kam vor zwei Wochen von US-Präsident Barack Obama. Im Rahmen einer ersten größeren Afrikareise seit seinem Amtsantritt vor fünf Jahren enthüllte Obama dort einen Plan mit dem markanten Namen „Power Africa“. Dieser verspricht über die nächsten fünf Jahre Finanzhilfen von sieben Milliarden Dollar für die Entwicklung erneuerbarer Energien. Das Geld soll Afrika dabei unterstützen, die Zahl der bisherigen Stromanschlüsse bis etwa 2020 zu verdoppeln. Gegenwärtig verfügt nur einer von vier Afrikanern über Strom. Außerhalb der Städte, wo noch immer die weitaus meisten Menschen leben, ist die Zahl der Menschen, die Zugang zu Strom haben, mit 15 Prozent sogar noch viel geringer. Kaum etwas bremst die Wirtschaftsentwicklung des Kontinents mehr als der eklatante Mangel an Elektrizität.

Bislang sind alle Versuche, endlich mehr Strom zu erzeugen, jedoch kläglich gescheitert, allen voran der Ausbau des gigantischen Wasserkraftwerks Inga am Unterlauf des Kongo-Flusses. Seit mehr als 30 Jahren soll das 1982 hier von Siemens vollendete. aber seitdem nie mehr richtig gewartete Kraftwerk massiv erweitert werden und dann bis zu 40 000 Megawatt (MW) produzieren, womit es rund die Hälfte des derzeitigen Strombedarfs in Afrika produzieren würde. Gegenwärtig laufen jedoch nur noch drei der ursprünglich 14 Turbinen und erzeugen kaum 500 Megawatt – ein Bruchteil der ursprünglichen Leistung von 1700 MW.

Korruption, Kriege und eine alles erstickende Bürokratie

Kein Wunder, dass nur fünf Prozent der Kongolesen heute Strom haben und selbst die nur 200 Kilometer entfernte Hauptstadt des Landes, Kinshasa, oft im Dunkeln liegt. Dennoch sind weder die auf neun Milliarden Dollar geschätzte Erweiterung des Kraftwerks noch die Modernisierung der 3000 Kilometer langen Hochspannungsleitung nach Südafrika in Angriff genommen worden. Korruption, Kriege und eine alles erstickende Bürokratie haben die Umsetzung der Pläne ebenso verhindert wie permanente Rechtsstreitigkeiten. Ob dem jüngsten Vertragsabschluss zwischen dem Kongo und Südafrika mehr Erfolg beschieden ist, darf bezweifelt werden.

Einige Kritiker haben die jüngste Initiative des US-Präsidenten als eine Subvention der eigenen Energiekonzerne bei ihrem Vordringen nach Afrika abgetan, was sie zum Teil wohl auch ist. Allerdings könnte die von Obama nun in Aussicht gestellte Versicherung der Risiken privater Investoren bei deren Mitarbeit an Stromprojekten in Afrika aber doch einen Unterschied machen, zumal sich der Privatsektor in Afrika bislang als weit effizienter erwiesen hat als viele Hilfsorganisationen oder die internationalen Finanzinstitutionen. Dies zeigt auch das Engagement einer Anzahl kleinerer US-Firmen beim Bau von Windgeneratoren. Daneben will Obama mit seiner Initiative die Entwicklung dezentraler Stromnetze in ländlichen Gebieten forcieren, insbesondere in Ost- und Westafrika.

Warum es in Nigeria besonders schlimm ist

Welch verheerende Folgen die fehlenden Investitionen afrikanischer Regierungen in die Stromversorgung haben, zeigt Nigeria, der nach Südafrika zweitgrößten Volkswirtschaft in Schwarzafrika. Obwohl der westafrikanische Ölproduzent mit 165 Millionen Menschen das mit Abstand bevölkerungsreichste Land des Kontinents ist, produziert es nur ganze fünf Prozent des Stroms, den Brasilien für seine 190 Millionen Einwohner generiert. Daran dürfte auch die nun geplante Privatisierung des völlig ineffizienten staatlichen Stromsektors auf absehbare Zeit kaum etwas ändern.

„Nigeria wird wohl noch mindestens 50 Jahre brauchen, um in puncto Stromversorgung zu Südafrika aufzuschließen, das gegenwärtig zehnmal mehr Energie erzeugt und dennoch selbst von Stromengpässen geplagt wird“ sagt David Lapido, dessen Unternehmen in Nigeria im Stromsektor aktiv ist. Während Nigerias Regierung noch immer davon träumt, die Stromerzeugung von mickrigen 4500 MW auf 40 000 MW im Jahre 2020 zu steigern, glaubt Lapido, dass bis dahin allenfalls eine Verdoppelung auf 9000 MW möglich sei, zumal die Privatisierungspläne seit Jahren feststecken.

Das Potenzial ist riesig

Wenn es Nigeria eines Tages gelänge, seine chronischen Stromausfälle spürbar zu verringern, würden die Kosten für die Geschäftswelt nach Ansicht der Weltbank rapide um bis zu 40 Prozent fallen und die Wirtschaft des Landes pro Jahr um bis zu drei Prozent zusätzlich wachsen. Derzeit fließen in Nigeria jedes Jahr allein rund 13 Milliarden US-Dollar in den Import von Dieselöl, das zum Betrieb von Generatoren benötigt wird. Chidi Amuta, ein langjähriger Beobachter des Landes, hat Nigeria wegen seiner ständigen Stromausfälle „Generatoren-Republik“ getauft. Nigeria sei noch auf Jahre in einen schier endlosen Kampf mit der Dunkelheit verstrickt, sagt Amuta.

Um die Stromausfälle zu verringern, müssten die Afrikaner effizientere Maschinen einsetzen, Stromleitungen und Kraftwerke besser warten sowie Strom in regionalen Netzen bündeln. An Ankündigungen dazu fehlt es nicht. Sollte dies aber misslingen und auch Obamas Initiative verpuffen, dürfte Afrika noch lange Zeit im Dunkeln verharren.

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