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Politik: Der Ernst der Stunde

Sicherheitsexperten befürchten bei einem Irak-Krieg Anschläge von Palästinensern in Deutschland: Al Qaida ist die größte Gefahr

Von Frank Jansen

Die Sorgen sind groß. Ein kaum zu durchschauendes Terrorspektrum bedrohe die Bundesrepublik und deutsche Einrichtungen im Ausland, heißt es in Sicherheitskreisen. Bei einem Treffen hochrangiger Experten aus Ministerien, Polizei und Nachrichtendiensten am vergangenen Mittwoch in Frankfurt (Main) seien alle Gruppen aufgezählt worden, die als gefährlich gelten – und denen erst recht bei Beginn eines Irak-Krieges Anschläge zuzutrauen sind. Die Liste reicht von Al Qaida über palästinensische Terrororganisationen bis zu den iranischen Volksmudschahedin, die mit Saddam Hussein eng verbündet sind. Allerdings geht auch ohne einen Irak-Krieg und unabhängig von der ablehnenden Haltung der Bundesregierung die größte Gefahr von Al Qaida aus.

Im Oktober drohte Osama bin Ladens Stellvertreter der Bundesrepublik. Sollte die „Dosis“ des Anschlags auf Djerba „nicht ausreichend gewesen sein, so sind wir bereit – natürlich mit Hilfe Allahs – die Dosis zu erhöhen“, sagte Ayman al Zawahiri. Der Anschlag auf der tunesischen Ferieninsel kostete 21 Menschen das Leben, darunter 14 Deutschen. Im November meldete sich Osama bin Laden selbst zu Wort. Der Al-Qaida-Chef kündigte Deutschland und fünf anderen Staaten an, „ihr werdet getötet werden, so wie ihr tötet. Seid auf weitere Erschütterungen gefasst.“ Sicherheitsexperten fürchten, seit den beiden Drohungen sei ein Anschlag in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit.

Bei einem Irak-Krieg werden auch Aktionen palästinensischer Terrorgruppen erwartet. Saddam Hussein unterstützt mit üppigen Spenden die Familien der Selbstmordattentäter. Das Geld wird über die linksextreme Arab Liberation Front (ALF) an die Angehörigen der umgekommenen Terroristen der islamistischen Hamas und anderer Gruppen weitergeleitet. Die ebenfalls „linke“ Palestine Liberation Front (PLF), die 1985 das Kreuzfahrtschiff „Achille Lauro“ entführte und einen amerikanischen Passagier tötete, wird in irakischen Camps trainiert. Die Sicherheitsbehörden haben auch die libanesische Hisbollah im Blick. Als besonders gefährlich gilt ihr Sicherheitschef Imad Fayez Mugniyah. Er wird weltweit gesucht und vom FBI auf der Liste der 22 „most wanted terrorists“ geführt.

Nicht ganz einig sind sich die Sicherheitsexperten in der Bewertung der iranischen Exilorganisation „Volksmudschahedin“. Etwa 6000 Anhänger halten sich im Irak auf, das schwer gesicherte Hauptquartier befindet sich 40 Kilometer westlich von Bagdad. Saddam Hussein hat die Volksmujahedin mit leichten Waffen, Artillerie und Panzern ausgerüstet. Bei einem amerikanischen Angriff sollen die Volksmudschahedin im Norden des Irak gegen die mit den USA verbündeten Kurden eingesetzt werden. In Deutschland leben etwa 900 Mitglieder und Anhänger der Volksmudschahedin. Einige Sicherheitsexperten schließen nicht aus, dass die Volksmudschahedin in Deutschland amerikanische und britische Einrichtungen angreifen könnten. Andere Fachleute verweisen hingegen auf Versuche der Volksmudschahedin, von der EU-Liste terroristischer Organisationen gestrichen zu werden. Die Fachleute sind sich allerdings in einem Punkt einig: Sollten die Lager der Volksmudschahedin im Irak angegriffen werden, seien auch in Deutschland „zumindest heftige Demonstrationen“ zu erwarten.

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