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Der Fall Litwinenko: Radioaktive Spuren

Ermittler haben offenbar Hinweise auf eine Verwicklung ausländischer Mächte in den Tod des russischen Ex-Spions Litwinenko. Die britische Behörde für Gesundheitsschutz hat in Litwinenkos Körper große Mengen radioaktiver Strahlung festgestellt.

London - Der mutmaßliche Giftanschlag trage die Spuren eines Mordes im staatlichen Auftrag, berichtete die britische Zeitung Tageszeitung "The Times". Es gebe erste Beweise, dass ausländische Agenten hinter der Tat stünden, zitierte das Blatt einen hohen Ministerialbeamten. Wie Litwinenko selbst machte auch sein italienischer Kontaktmann Mario Scaramella den Kreml für den Anschlag verantwortlich. Deutsche Politiker forderten die Einschaltung des Europarates.

Die britische Polizei und Sicherheitsdienste gingen nach Angaben des Boulevardblatts "The Sun" davon aus, dass der Mörder Litwinenkos Essen in der Sushi-Bar "Itsu" nahe dem Picadilly Circus vergiftete. Der ehemalige Geheimagent hatte sich dort am 1. November mit seinem Informanten Scaramella getroffen. Anschließend wurde er krank. Die britische Behörde für Gesundheitsschutz (HPA) hatte in Litwinenkos Körper große Mengen radioaktiver Strahlung festgestellt, die durch die Substanz Polonium verursacht wurde.

Abschiedsbrief von Litwinenko

London bat Russland offiziell um Mithilfe bei der Aufklärung des mysteriösen Todes. Das höchste britische Sicherheitsgremium, das Cobra-Komitee, kam am Samstag erneut zusammen, um die Litwinenko-Affäre zu diskutieren. Dem von Innenminister John Reid geführten Ausschuss gehören auch ranghohe Vertreter der Polizei sowie die Leiter der Geheimdienste an. In letzter Zeit war das Gremium nach den Bombenanschlägen in London 2005 und nach dem Bekanntwerden der vereitelten Anschlagspläne auf Transatlantikflüge zusammengetreten.

Litwinenko hatte in einem nach seinem Tod am Donnerstag verlesenen Abschiedsbrief den russischen Präsidenten Wladimir Putin direkt eines tödlichen Anschlags auf ihn bezichtigt. Der frühere Agent des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB hatte sich nach seinem Ausstieg zu einem erbitterten Gegner des russischen Staatschefs gewandelt. Zuletzt recherchierte er zu dem Mord an der regierungskritischen russischen Journalistin Anna Politkowskaja.

Der italienische Geheimdienstexperte Scaramella übergab Litwinenko bei dem Treffen Anfang des Monats nach Angaben des britischen "Guardian" auch E-Mails russischer Geheimdienste. Aus diesen ging demnach hervor, dass die Kreml-Spione an den Einsatz von Gewalt gegen Litwinenko und den Geschäftsmann und Putin-Intimfeind Boris Beresowski dachten.

Steckt der Kreml hinter der Ermordung?

Scaramella ist einer der Experten in einem Untersuchungsausschuss des italienischen Parlaments über die Rekrutierung italienischer Spione durch den früheren russischen Geheimdienst KGB. In einem Interview mit der Zeitung "Corriere della Serra" zeigte er sich überzeugt davon, dass hinter der Tat der Kreml steht. Litwinenko sei "getötet worden für alles, was er wusste", sagte er. Der Vorsitzende des Ausschusses, Paolo Guzzanti, sagte der Zeitung "La Stampa", er gehe davon aus, dass der russische Geheimdienst hinter der Ermordung Litwinenkos, Politkowskajas sowie des früheren stellvertretenden Leiters des FSB, Anatoli Trofimow, stehe.

Die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte die Einschaltung des Europarates in die Todesfälle Politkowskaja und Litwinenko. Beide Fälle würfen ein aktuelles Schlaglicht auf das "andere Russland" - jenes Russland, in dem die Menschenrechte keine Chance hätten und in dem in den vergangenen Jahren viele Journalisten ermordet worden seien, sagte sie der "Berliner Zeitung".

Der britische Gesundheitsdienst NHS rief unterdessen all jene, die wie Litwinenko am 1. November das "Itsu" oder das "Millennium"-Hotel besucht hatten, auf, sich bei der Behörde zu melden. An beiden Orten waren schwache Spuren des radioaktiven Stoffes Polonium gefunden worden. Laut NHS bestand aber keine unmittelbare Gefahr, solange das Polonium nicht in den Körper gelangte. (tso/AFP)

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