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Politik: Der Führungsstil des EU-Kommissionspräsidenten ist umstritten. Brüsseler Diplomaten sehen jedoch keinen Grund für einen Rücktritt

Was die EU-Kommission und ihren Präsidenten Romano Prodi betrifft, klaffen Binnensicht und Außenwahrnehmung massiv auseinander. Während einige deutsche Zeitungen Prodis politisches Ende nahen sehen, weil ihm Führungskraft fehle, loben die Kommissare seinen kollegialen Führungsstil: "Prodis Führungsrolle erkennt man nicht an kantigem Auftreten, sondern an Vorschlägen, die es der Kommission ermöglichen, als Kollegium zu handeln", beschreibt EU-Kommissarin Michaele Schreyer den Italiener.

Was die EU-Kommission und ihren Präsidenten Romano Prodi betrifft, klaffen Binnensicht und Außenwahrnehmung massiv auseinander. Während einige deutsche Zeitungen Prodis politisches Ende nahen sehen, weil ihm Führungskraft fehle, loben die Kommissare seinen kollegialen Führungsstil: "Prodis Führungsrolle erkennt man nicht an kantigem Auftreten, sondern an Vorschlägen, die es der Kommission ermöglichen, als Kollegium zu handeln", beschreibt EU-Kommissarin Michaele Schreyer den Italiener. "Prodi ist nun einmal kein preußischer Landrat", sagt Erweiterungs-Kommissar Günther Verheugen, "erstens, zweitens, drittens zu sagen, ist nicht sein Stil."

Doch es sind nicht allein Stilfragen, die Romano Prodi in die öffentliche Schusslinie gebracht haben. Es unterliefen ihm Fehler, beispielsweise eine unabgestimmte Einladung an den libyschen Staatschef Muammar el Gaddafi nach Brüssel. Manche Interviews sind unbedacht. Auch nach einem halben Jahr Eingewöhnungszeit kennt er noch nicht alle Finessen des europäischen Geschäftes.

Dies sind zweifellos keine Gründe für einen Rücktritt. "Abenteuerlich" werden die Gerüchte, die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und "Spiegel" in dieser Woche ohne Quellen veröffentlichten, in deutschen Diplomatenkreisen genannt. Vertreter der Mitgliedsstaaten halten diese Spekulationen auch deshalb für absurd, weil die Staats- und Regierungschefs das Recht haben, die EU-Kommission zu berufen. Das EU-Parlament bestätigt die Entscheidung. Dass ein anderer Kommissar nachrücken könnte, wenn Prodi als Kommissionspräsident stürzt, halten sie für unsinnig. Auch wenn die Kommissare Neil Kinnock und Chris Patten am ehesten Führungsstärke im traditionellen Sinne zeigen, bedeutete dies nicht, dass sie große Chancen hätten, Prodi zu ersetzen, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" behauptet. Dass sich die Staats- und Regierungschefs auf den portugiesischen oder den spanischen Premier als Nachfolger Prodis einigen würden, wie der "Spiegel" vermutete, ist ebenfalls reine Spekulation.

Bedenkenswert ist allerdings eine Frage, die Günther Verheugen in der vergangenen Woche in Brüssel thematisierte. Können die Kommission als Ganze und ihr Präsident nicht nur so stark sein, wie der Rückhalt, den sie unter den Staats- und Regierungschefs haben? Diese, auch dies hat der Gipfel von Lissabon gezeigt, sind gegenwärtig weniger an einer gemeinsamen europäischen Linie interessiert als an der Durchsetzung nationaler Interessen. Die Schlussfolgerungen von Lissabon bestanden deshalb aus einem bunten Bündel verschiedener Forderungen, weil man sich nicht auf gemeinsame Schwerpunkte einigen konnte.

"Wo ist die deutsch-französische Achse?", fragte Verheugen im Brüsseler SPD-Ortsverein in der letzten Woche. Bundeskanzler Schröder hat sich in Lissabon um neue Gemeinsamkeiten mit Frankreich bemüht. Wie lange es jedoch dauert, bis diese Dynamik für die europäische Integration entfalten können, ist fraglich. Ein Sprecher der Kommission wies gestern die Vermutung zurück, es könne ein "roll-back" geben, weg von der europäischen Integration, hin zur traditionellen Zusammenarbeit der Regierungen. Doch es scheint, als sei dies das eigentliche Problem, vor dem die EU gegenwärtig steht.

Mariele Schulze Berndt

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