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Politik: Der große Unbekannte

Wahlsieger Ahmadinedschad lässt bislang ein Konzept für Wirtschaftsreformen in Iran vermissen

Vielleicht ist ihm sein Sieg selbst unheimlich. Jedenfalls scheint dem neuen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad bewusst zu sein, dass er die iranische Gesellschaft wie kaum ein anderer Politiker vor ihm gespalten hat. So kostet der konservativ-religiöse Hardliner seinen Wahlsieg zunächst verhalten aus. Statt live im Staatsfernsehen aufzutreten, ließ der Überraschungssieger eine aufgezeichnete Ansprache im Radio verbreiten. Das neue Mandat soll nicht sofort von einer möglicherweise gewalttätigen Konfrontation zwischen erzkonservativen Regimevertretern und enttäuschten Reformern überschattet werden.

Wie Ahmadinedschads Programm aussehen soll, lässt sich bisher nur erahnen. „Iran soll ein modernes, fortschrittliches und islamisches Modell für die Welt werden“, wünscht sich der 49-Jährige. Damit knüpft der gelernte Ingenieur, der als erster Präsident seit 21 Jahren nicht aus der Kleriker-Kaste kommt, direkt an die Visionen der Väter der islamischen Revolution von 1979 an. Angst machen vielen liberalen Iranern der Mittel- und Oberschicht Äußerungen wie jene, dass die „Freiheit in Iran bereits größer ist, als wir uns jemals vorstellen konnten“.

Ahmadinedschad, ein Revolutionär der ersten Stunde, scheint sich auf die Prinzipien der islamischen Revolution besinnen zu wollen. Doch hat er im Wahlkampf vor allem deren sozialrevolutionäre, linkspopulistische Elemente betont: Der Mann aus einfachen Verhältnissen will das Versprechen einer gerechteren Verteilung von Reichtum einlösen. Dabei geht der Mann, der sich als „kleiner Diener“ der Nation und „Straßenfeger“ bezeichnet, mit gutem Beispiel voran: Als Bürgermeister von Teheran residiert er in einem bescheidenen Haus im Osten der Stadt, fährt einen 30 Jahre alten Wagen und hat seit zwei Jahren keinen Urlaub genommen.

Doch der enge Vertraute von Religionsführer Khamenei schreckt auch vor einem offenen Affront gegen mächtige Kleriker und religiöse Stiftungen nicht zurück. Sie haben ihre politische Macht stets genutzt, um persönlichen Reichtum anzuhäufen. In einem Wahlvideo zeigte Ahmadinedschad die Residenz seines Vorgängers im Bürgermeisteramt: ein luxuriöses Haus mit Swimming Pool, Sauna und Marmortreppen. „Wir fragen die Amtsinhaber, warum sie in Palästen residieren?“, heißt es da. Anschließend belehrt Ahmadinedschad die religiösen Machthaber, dass es dafür im Islam keine Rechtfertigung gebe.

Ein wirkliches Konzept für Wirtschaftsreformen hat der ehemalige Gouverneur der Provinz Ardabil bisher nicht vorgelegt. Auch auf seiner ersten Pressekonferenz am Sonntag wollte er sich dazu nicht äußern. Aus dem Wahlkampf ist bekannt, dass er Privatisierungen zugunsten der Staatskasse ablehnt; er will Transparenz in die Einnahmen des Ölsektors bringen, mehr Aufträge an einheimische Unternehmen vergeben und Anteile an staatlichen Unternehmen an die Bevölkerung verteilen. Wie dadurch die Wirtschaft angekurbelt werden soll, bleibt noch ein Rätsel. Ebenso, ob es bei seinen kompromisslosen Tönen in der Außenpolitik bleiben wird, mit denen er den Westen verschreckt hat. Der neu gewählte Präsident blieb vage und antwortete auf Fragen gerne mit Gegenfragen. So sollten die USA zunächst beweisen, dass sie Beziehungen zu Teheran wünschten, bevor die Iraner ihre Position darlegten. Fest steht hingegen, dass er am Atomprogramm festhalten will: „Irans friedliche Technologie ist das Ergebnis der wissenschaftlichen Errungenschaften der iranischen Jugend.“

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