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Politik: Der Hang der Iren zum Konservativen

Von Martin Alioth, Dublin Rechtsruck in Europa? Die Iren, die am heutigen Freitag wählen, lässt diese Frage einigermaßen kalt.

Von Martin Alioth, Dublin

Rechtsruck in Europa? Die Iren, die am heutigen Freitag wählen, lässt diese Frage einigermaßen kalt. Die beiden bürgerlichen Großparteien Irlands stehen ohnehin rechts von der Mitte. Seit 70 Jahren ist die Fianna-Fail-Partei die dominante Volkspartei des Landes, und diesmal darf sie sogar auf eine absolute Mehrheit hoffen. Der nächste Regierungschef dürfte also auch wie der alte heißen: Bertie Ahern. Die oppositionelle Regenbogenkoalition, die ebenfalls von den Bürgerlichen angeführt wird, erschien von Anfang an chancenlos.

Es gibt noch einen zweiten Grund, warum die Frage nach einem europäischen Rechtstrend aus der Sicht der Iren keine entscheidende Rolle spielt: Die irische Politik ist derart ideologiefern, dass auch die heimlichen und weniger heimlichen Rassisten in den herkömmlichen Parteien Unterschlupf finden.

Die abtretende Regierung kann auf eine beispiellose Erfolgsbilanz für die letzten fünf Jahre zurückblicken: Frieden in Nordirland und Vollbeschäftigung in der Republik. Die irische Gesellschaft wurde dabei umgekrempelt. Aber die Parteienlandschaft bleibt praktisch unverändert - ein kleines Stückchen Kontinuität, solange das irische Wirtschaftswunder andauert.

Im Euro-Trend einer immer unüberschaubareren Parteienlandschaft liegt dagegen die Tatsache, dass in Irland am heutigen Wahltag kleine Parteien und Parteilose auf Zugewinne hoffen. Die Grünen werden im neuen Parlament mehr als die bisherigen zwei von 166 Abgeordneten stellen. Sinn Fein, der politische Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), verspricht sich drei oder mehr Repräsentanten an Stelle der bisherigen Vertretung durch einen Abgeordneten. Die übrigen Parteien lehnen indessen eine Regierungskoalition mit Sinn Fein kategorisch ab, solange die IRA existiert.

„Infrastruktur“ lautet das Zauberwort dieser Wahl. Häuser sind zwar in den Wirtschaftswunderjahren gebaut worden, aber es mangelt an Krankenhausbetten, Klassenzimmern, Bussen, Straßen - der Nachholbedarf bleibt enorm, obwohl das Land inzwischen zur Baustelle geworden ist.

Ab 2006 wird Irland überdies Nettobeitragszahler bei der Europäischen Union. Erstaunlicherweise war das neuerdings kritische Verhältnis zur EU kein Wahlkampfthema - obwohl die nächste Regierung ein neues Referendum über den Nizza-Vertrag vorbereiten muss, der letztes Jahr knapp verworfen wurde. Geplant ist eine unverbindliche Erklärung der EU zur Gewährleistung der militärischen Neutralität Irlands, aber letztlich wird dem Volk im Herbst noch einmal dieselbe Frage gestellt - mit ungewissem Ergebnis.

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