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Politik: Der heiße Herbst kommt noch

Von Gemma Pörzgen, Skopje Schon im Frühjahr hatte es geheißen: Sobald der Schnee taut, gehen die Kämpfe in Mazedonien wieder los. Dass die Lage vor allem im Nordwesten des Landes stabil blieb, liegt nicht zuletzt an den Nato-Friedenstruppen.

Von Gemma Pörzgen, Skopje

Schon im Frühjahr hatte es geheißen: Sobald der Schnee taut, gehen die Kämpfe in Mazedonien wieder los. Dass die Lage vor allem im Nordwesten des Landes stabil blieb, liegt nicht zuletzt an den Nato-Friedenstruppen. Am Donnerstag übernehmen die Niederländer vom deutschen Brigadegeneral Heinz-Georg Keerl das Kommando der multinationalen Einheit. Einer der wichtigen Ansprechpartner für die Holländer wird in jedem Fall der frühere albanischen Rebellenchef Ali Ahmeti. Ahmeti gründete Ende Mai eine Partei, deren Ziel es ist, den im August 2001 vereinbarten Friedensplan von Ohrid umzusetzen, der für die albanische Minderheit in Mazedonien mehr Rechte bringen soll. Ahmeti ist der beliebteste Politiker unter den mazedonischen Albanern, viele Beobachter glauben, dass er im neuen Parlament stärkste albanische Kraft wird.

„Abgesehen von kleineren Zwischenfällen ist die Situation sehr stabil“, sagt Ahmeti und lobt vor allem den Beitrag der Nato-Truppe. Dass es spätestens vor den Parlamentswahlen neue Kämpfe geben wird, allein schon weil die albanischen Parteien heftig miteinander konkurrieren, daran glaubt er nicht. In der Hauptstadt Skopje sehen das slawische Mazedonier anders: „Die Lage ist feuergefährlich“, sagt der nationalistische slawisch-mazedonische Parlamentarier Jordan Boskov, „ein stiller Krieg schreitet fort.“ In den Dörfern würden die Menschen unverändert von bewaffneten Gruppen terrorisiert und die mazedonischen Sicherheitskräfte seien unfähig, einzuschreiten.

Zoran Jacev von der Denkfabrik „Forum“ erwartet „einen heißen Herbst für Mazedonien“. Zum Einsatz der internationalen Gemeinschaft sagt er: Bei den Menschen in Skopje überwiege Enttäuschung über das EU-Engagement und den Einsatz der NatoTruppen. Die Krise sei von albanischen Terroristen aus dem Kosovo hereingeschleppt worden, meinen viele. Das Ohrid-Abkommen wird als Ausverkauf eigener Interessen gewertet. Dabei gilt Mazedonien als Paradebeispiel für Konfliktprävention. „Ohne den Einsatz der internationalen Gemeinschaft wäre es schief gegangen“, lautet die Einschätzung der Diplomaten vor Ort.

Besonders hervorgehoben wird die Zusammenarbeit zwischen dem EU-Sonderbeauftragten Alain LeRoy vor Ort, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der Nato-Truppe. Die Brigade hat den Auftrag, die rund 200 in Mazedonien tätigen Beobachter der EU und OSZE zu schützen. Diese Beobachter überwachen vor allem die Rückkehr der mazedonischen Sicherheitskräfte in die albanischen Dörfer. Die Niederländer übernehmen das Kommando bei der „Task Force Fox“ in der Phase des Wahlkampfs, in dem einige Parteipolitiker versuchen, nationalistischen Gefühlen in der Bevölkerung aus wahltaktischen Gründen neuen Auftrieb geben. Auch aus anderem Grund dürfte der Einsatz der Niederländer nicht ganz unvorbelastet beginnen. Im Sommer 1995 hatten niederländische Blauhelme in der ostbosnischen Enklave Srebrenica den Mord an tausenden von muslimischen Männern durch bosnische Serben nicht verhindern können. Nach einem Untersuchungsbericht zu den Geschehnissen ist im April die niederländische Regierung zurückgetreten.

In Mazedonien wird zur Bewährungsprobe für den Stabilisierungsprozess neben der Wahl im Herbst auch die wirtschaftliche Entwicklung: Offiziell ist jeder Dritte arbeitslos, vermutlich ist über als die Hälfte der arbeitsfähigen Leute ohne Job. Wer einen Arbeitsplatz hat, muss mit rund 170 Euro im Monat die Familie ernähren. Ein Viertel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Beim Staat sind die Kassen leer: Regierungsmitglieder haben sich an der Privatisierung von Staatsbetrieben bereichert und Kriegshandlungen im vergangenen Jahr finanziert.

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