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Politik: Der Herausgeber der Tageszeitung "Maariv" soll Mordaufträge erteilt haben

Der Verdacht wiegt schwer. Die Gerüchte überschlagen sich.

Der Verdacht wiegt schwer. Die Gerüchte überschlagen sich. Der Herausgeber der zweitgrößten israelischen Tageszeitung "Maariv" soll drei Mordaufträge erteilt haben. Wegen illegalen Abhörens der Konkurrenz hatte er bereits mehrere Monate im Gefängnis gesessen. Und nun das! Seit Freitag ist der Zeitungskrieg im Lande um eine Sensation reicher.

Der Hintergrund ist bizarr. Drei Familienclans, Besitzer der größten israelischen Zeitungen, sind seit Jahrzehnten in bittere Fehden verwickelt. Insbesondere das Duell der beiden großen Halbboulevard-Blätter - "Yedioth Ahronoth" der Familie Moses und "Maariv", seit einigen Jahren Vater und Sohn Nimrodi gehörend - war schon bisher recht skrupellos. Jetzt wurde enthüllt, dass es möglicherweise mörderisch war. Entscheidende Details, wie etwa die Namen der Opfer der geplanten Anschläge, dürfen laut Gerichtsbeschluss zwar nicht veröffentlicht werden. Doch auch ohne diese Einzelheiten wirkt die Geschichte wie eine Mischung aus intrigenschwangeren TV-Seifenopern und Mafia-Streifen aus Hollywood.

Ofer Nimrodi, bis Donnerstagnacht Generaldirektor der Holdinggesellschaft von "Maariv", dessen Direktionspräsident und damit auch Herausgeber und faktischer Ober-Chefredakteur, soll drei Mordaufträge erteilt haben. Dies jedenfalls behauptet aus seiner Zelle im Gefängnis Aschkelon heraus Rafi Friedan. Der sitzt dort gerade eine vierjährige Haftstrafe ab, weil er als Privatdetektiv für Nimrodi einen flächendeckenden Lauschangriff vor allem auf das übermächtige Konkurrenzblatt "Yedioth Ahronoth" durchgeführt hatte. Nimrodi selbst kam mit einer achtmonatigen Haftstrafe (plus einer Buße von rund einer halben Million Mark) davon, von der er wegen guter Führung und noch besserer Beziehungen nur vier Monate absitzen musste.

Friedan, dessen Helfer auf frischer Tat gefasst wurden, hatte während der Untersuchungen eisern geschwiegen und Nimrodi gedeckt. Sein Partner Yaakov Zur jedoch fing als Kronzeuge an zu "singen". Yaakov Zur ging selbst straffrei aus, brachte aber Friedan und Nimrodi hinter Gitter. Während Nimrodi wütend reagiert haben soll, als er davon hörte, dass Zur auspacken wolle, ist Friedan sauer auf Nimrodi und versteht bis heute nicht, warum er die weitaus härteste Strafe aller in die Abhöraffäre verwickelten Personen abbekommen hat. Nimrodi soll sich Friedans anhaltendes Schweigen mit rund einer Million Dollar erkauft haben.

Warum Friedan jetzt sein Schweigen bricht, weiß niemand ganz genau. Sein Anwalt behauptet, Friedan habe schon während des Prozesses der Staatsanwaltschaft vergeblich ein entsprechendes Angebot gemacht für Strafminderung, er selbst erklärte seine Aussagebereitschaft mit "einer Kulmination aus schlimmer Müdigkeit und dem Gefühl der Beleidigung". Gerüchten zufolge soll der wahre Grund die Weigerung Nimrodis sein, weiter Schweigegeld zu zahlen.

Friedan hatte seit Monaten versucht, prominente Journalisten als Ghostwriter für ein Buch über die Affäre zu engagieren. "Friedan hätte eine Menge zu erzählen", wissen seine Freunde, er und sein Partner Zur gelten als "Großmeister des Abhörens". In seinem Buch, von dessen Verfilmung durch Hollywood er träumte, wäre es nicht nur Nimrodi an den Kragen gegangen, sondern auch "fünf anderen Großunternehmern" sowie "Ministern und vielen Knessetabgeordneten". Bislang allerdings wurde Friedan nur wegen des Anzapfens der Telefonleitung des ehemaligen Likud-Ministers, Tel Aviver Oberbürgermeisters und heutigen Zentrumsabgeordneten Ronnie Milo während des Wahlkampfs um das Tel Aviver Rathaus verurteilt. Nun fordert als erster der Vorsitzende des Knesset-Justizausschusses, Amnon Rubinstein, die Polizei auf, "diese Beschuldigungen sofort zu klären, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass nicht alle Abgeordneten abhören ließen".

Der 39-jährige Friedan, der sich gern im Umkreis von Foto-Modellen aufhält, ist laut Gerichtsurteil ein Lügner, "dessen Worten kein Glauben zu schenken ist". Andererseits besitzt er Kassetten, auf denen Ofer Nimrodi zu hören ist und die diesen schwer belasten sollen.

Nimrodi wiederum ist seltsamerweise noch nicht verhört worden. Er hat sich in seiner Villa - einem von seinem Vater gebauten Duplikat des Weißen Hauses - eingeschlossen. Nachdem die Börse zweimal den Handel mit den Aktien seiner Firmen wegen enormer Kursverluste eingestellt hat und das Gericht die Teilveröffentlichung der Affäre erlaubt hat, ist Ofer Nimrodi von seinem Posten als Generaldirektor und Direktionspräsident vorübergehend zurückgetreten.

Der Zeitung "Maariv" steht nun stellvertretend sein Vater, Yaakov Nimrodi, vor, der das Blatt eigentlich für seinen Sohn aus dem Nachlass des britischen Medientycoons Maxwell gekauft hatte. Nimrodi senior, Ex-Geheimdienstler und Waffenhändler, Vertrauter des persischen Schahs und tief in den Irangate-Skandal verwickelt, hat sich ein Wirtschaftsimperium zusammengekauft: Immobilien, Hotelketten, Versicherungen und eben auch die "Maariv"-Mediengruppe, deren Flaggschiff ihn lange Jahre viele Millionen kostete.

Vor 51 Jahren hatte die gesamte Redaktion von "Yedioth Ahronoth" die Zeitung Knall auf Fall verlassen und "Maariv" gegründet. Zurück blieben bei "Yedioth Ahronoth" der Herausgeber und der Chefredakteur sowie ein grenzenloser Hass auf die Abtrünnigen. Jahrelang lag "Maariv" in Ansehen und Auflage vorn, doch inzwischen ist "Yedioth" vorbeigezogen. Als Maxwell den Trümmerhaufen "Maariv" übernahm, verordnete er eine Radikalkur mittels Angleichung an die übermächtige Konkurrenz: Rot sollte nur noch der Zeitungskopf sein, nicht mehr die Bilanz.

Doch erst unter Nimrodi wurde das Blatt zum Plagiat: Buchstabengleiche Schlagzeilen und Parallel-Artikel ließen ahnen, dass Redaktionsspionage betrieben wurde, während die Nimrodis sich die Hände rieben: Die Auflage und das Anzeigenvolumen stiegen. Beide betragen heute rund die Hälfte derjenigen von "Yedioth Ahronoth".

Dort wiederum reagierte man auf die vermutete Spionage der Konkurrenz mit gleichen Waffen und ließ bei "Maariv" die Telefone anzapfen, wenn auch in kleinerem Umfang. Die unter sich heillos zerstrittene "Yedioth-Ahronoth"-Besitzer- und Verlegerfamilie Moses, allen voran Herausgeber Arnon Moses, kam dabei überraschenderweise und zum Zorne der Nimrodis ungestraft davon. Lediglich der Chefredakteur und die Chefin vom Dienst mussten zurücktreten.

Israel steht nun Kopf. Fast stündlich scheint der Skandal größere Ausmaße anzunehmen. Viele Beobachter vermuten, dass ein Stein, der dermaßen laut ins Wasser fällt wie dieser, noch Wellen schlagen wird, die einer Sturmflut gleichen.

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