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Politik: "Der Kampf um die Präsidentschaft wird noch viel schmutziger" - Russland-Experte Alexander Rahr im Interview

Alexander Rahr (40) ist Russland-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. Mit ihm sprach Armin Lehmann über den Ausgang der Wahlen.

Alexander Rahr (40) ist Russland-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. Mit ihm sprach Armin Lehmann über den Ausgang der Wahlen.

Herr Rahr, hat der Tschetschenien-Krieg die Duma-Wahlen entschieden?

Wenn der Krieg nicht wäre, hätte Ministerpräsident Putin seine Popularität nie so erfolgreich steigern können.

Wird der Krieg nun beendet, weil er seine Funktion verloren hat?

Es ist anzunehmen, dass mit den Wahlen ein wichtiger Grund für die Staatsführung weggefallen ist. Die russische Herrschaftselite und die Duma werden sich bemühen, nun Wirtschaftsreformen anzugehen und versuchen, den Westen zu besänftigen.

Ist mit dem Wahlergebnis bereits eine Vorentscheidung für die Präsidentschaftswahlen, also für Putin gefallen?

Ich denke, noch ist er nicht durch, auch wenn Putin schon wie der glorreiche Sieger aussieht. Er wird von den Finanzclans unterstützt und hat in diesem Wahlkampf gezeigt, dass man in Russland mit Geld alles machen und kaufen kann. Aber es reicht womöglich nicht aus, das Volk nur mit einem Krieg von der eigenen Führungsstärke zu überzeugen. Der Kampf um den Präsidentschaftsposten ist aber noch nicht entschieden, er tritt nun ins Endstadium und wird noch viel schmutziger als bisher.

Was heißt noch schmutziger?

Es wird mit harten Bandagen gekämpft. Beresowski, also dem Kreml-Clan, gehören bereits fast 90 Prozent der Medien. Diese senden zum Beispiel ständig kompromittierendes Material über Primakow und Luschkow.

Wird die russische Politik noch käuflicher, weil Oligarchen wie Beresowski nun einen Duma-Sitz haben?

Es gibt in Russland keine traditionelle politische Auseinandersetzung mehr zwischen Kommunisten, Nationalisten und Demokraten. Der eigentliche Kampf findet zwischen zwei Finanzclans statt, die so mächtig sind, dass keiner sie verdrängen kann. Der eine ist der Beresowskis Clan, der zwei Parteien aus dem Boden gestampft hat, die großen Sieger des Dumawahlkampfs, nämlich "Einheit-Bär" und die "Union rechter Kräfte". Schwächer ist nun der Clan um Wladimir Gusinski, der Luschkow und Primakow unterstützt. Dem Kampf dieser Gruppierungen sind alle anderen Ziele untergeordnet.

Soll der Westen froh über das Ergebnis sein?

Der Westen sollte das Ergebnis mit einem weinenden und einem lachenden Auge sehen. Die negativen Seiten habe ich geschildert. Aber es macht auch Hoffnung, dass die Bevölkerung vier demokratische Parteien gewählt hat und die Extremisten an Stärke verloren haben. Diese Parteien sind heute zwar zerstritten, aber nach den Präsidentschaftswahlen werden sie gewillt sein, ein gemeinsames Fundament für Reformen zu finden. Damit ist die Lage in Russland stabiler geworden. Bundeskanzler Schröder jedenfalls sollte möglichst Herrn Putin ernster nehmen als bisher, im März findet ja schon der deutsch-russische Gipfel statt.

Herr Rahr[hat der Tschetschenien-Krieg die Duma-W]

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