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Politik: Der Kanzler bestimmt – was?

SCHRÖDER UND DIE USA

Von Robert von Rimscha

Nein, Mutlosigkeit kann man diesem Kanzler nicht vorwerfen. Jetzt ist er in die Offensive gegangen und hat die Karten neu gemischt. Aus dem Verlegenheitsthema Irak, mit dem der wahlkämpfende Friedensbringer Gerhard Schröder jene Prozentpunkte ergattern wollte, die ihm der ausbleibende Aufschwung verwehrte, ist der deutsche Regierungschef geworden, der in der Höhle des Löwen für sich wirbt.

Gerhard Schröders Gang zur „New York Times“ ist ein unzweideutiger Kommentar über den Stand der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Noch am Mittwoch hatte der Kanzler gefragt, wer denn wohl mit wem reden müsse, wenn über den Irak doch eigentlich Konsultationen vereinbart waren. George W. Bush natürlich mit ihm, so die nicht gegebene Antwort. Jetzt konsultiert der Kanzler eben selbst. Warum, das erklärt er mit einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig lässt. Er habe keine Lust, zwei Stunden vor dem Einmarsch einen Anruf zu bekommen: Jetzt geht’s los.

So den Weg an die amerikanische Öffentlichkeit zu suchen, ist richtig, wenn man überzeugen will. Dazu gehört allerdings neben dem passenden Podium das stichhaltige Argument. Manches, was der Kanzler anführt, treibt auch die Amerikaner um. Bei einigen Inhalten allerdings kann einem schwindelig werden. Da wirft Gerhard Schröder US-Vizepräsident Dick Cheney tatsächlich vor, mit seiner harschen Rede gegen Saddam die fast schon erfolgreichen Bemühungen, mittels wirtschaftlichen und diplomatischen Drucks die Inspektoren zurück in Saddams Reich zu zwingen, sabotiert zu haben. Das „wahre Problem“ habe mit diesem Strategiewechsel begonnen. Amerika hält eher Saddam für das wahre Problem.

Schröder nennt Bedenken und Unwägbarkeiten, aber auf die Kernfrage, wie mit dem Herrscher in Bagdad umzugehen sei, antwortet er dürftig. Zwei Worte vor allem werden in den USA ankommen, und in der Bush-Regierung, aber auch weit über sie hinaus, werden sie nicht auf Gegenliebe stoßen: „hands off“, Hände weg. Das ist keine Begründung für eine deutsche Haltung mehr, das kommt einem Ratschlag an die Welt recht nahe. Und es ist ein Rat, der dem Diktum von Bush, wonach „Passivität keine Option“ sei, diametral entgegengesetzt ist. Die beiden Wörtchen „hands off“ sind vielmehr die Summe dessen, was Bushs Team den Europäern seit jeher vorwirft. Die sieben Argumente, die Schröder anführt, sind aus US-Sicht keine Hinderungsgründe, sondern zusätzliche Herausforderungen. Für ein flexibles Antworten auf die offenen Fragen lässt Schröder aber wenig Raum. Er legt sich fest – egal, ob die USA es schaffen, die Anti-Terror-Koalition zusammenzuhalten, bessere Nachfolger zu finden, wirtschaftliche Schäden zu minimieren und moderate arabische Regime vor Destabilisierung zu schützen.

Er sei gegen eine Intervention, so der Kanzler, auch wenn die UN aus welchen Gründen auch immer und in welcher Form auch immer Ja zu einem militärischen Vorgehen sage. Die Weltgemeinschaft so vor den Kopf zu stoßen, ist schlechte Politik. Wenn Saddam die Inspektoren hereinlässt, sie dann aber wie weiland die bosnischen Serben als menschliche Schutzschilde benutzt, dann soll die UN nicht handeln dürfen?

„Gut, macht nicht mit, aber werft uns wenigstens keine Prügel zwischen die Beine!“ – diesen Satz bekam die deutsche Regierung bei früheren Konsultationen zum Irak im Weißen Haus gesagt. Jetzt hat der Kanzler deutlich gemacht: Auf ein solches Stillhalteabkommen lässt er sich nicht ein. Er will sich durchsetzen. Für den Versuch bezahlt er einen hohen Preis. Und ein Erfolg ist mehr als fraglich.

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