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Politik: Der Kanzler gegen die EU – zum Zweiten

Von Cordula Eubel Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die EU-Kommission aufgefordert, die industriepolitischen Interessen der Mitgliedsstaaten und Europas stärker bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Dazu müsse auch der Industrieministerrat gestärkt werden.

Von Cordula Eubel

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die EU-Kommission aufgefordert, die industriepolitischen Interessen der Mitgliedsstaaten und Europas stärker bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Dazu müsse auch der Industrieministerrat gestärkt werden. Am Montag Abend traf der Kanzler in Brüssel EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, sowie die Kommissare Mario Monti (Wettbewerb), Erki Liikanen (Industrie), Frits Bolkestein (Binnenmarkt) und Margot Wallström (Umwelt). Die Kommission habe sich in der Vergangenheit zu sehr auf den Dienstleistungs- und Finanzsektor fokussiert, lautet die Kritik aus dem Kanzleramt. Die Industrie stehe mit 45 Millionen Beschäftigten in Europa für knapp ein Viertel der Wertschöpfung im Binnenmarkt und sei ein unverzichtbarer Wachstumsmotor.

Die Kritik des Kanzlers nimmt dabei eine neue Nuance an: Beklagte sich Schröder bisher darüber, Deutschlands Interessen würden vernachlässigt, so geht es ihm jetzt um die Industriepolitik in Europa. Schließlich will und muss Schröder den Eindruck vermeiden, er sei ein Europa-Feind. Besonders, da auch sein Herausforderer Edmund Stoiber inzwischen viel gemäßigtere Töne wählt, wenn es um Europa geht.

Das Hauptinteresse des Kanzlers gilt aber nach wie vor wichtigen deutschen Industriezweigen, wie der Automobilbranche und der Chemieindustrie. So wehrt sich Schröder gegen den Plan von Wettbewerbskommissar Monti, ab dem Herbst die engen Bindungen der Autohändler an die Hersteller zu lockern. Nach der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung sollen Händler künftig mehrere Marken vertreiben können. Während Befürworter sich davon sinkende Preise erhoffen, sieht der Autokanzler die Industrie in Gefahr. Ein weiterer Streitpunkt: die Chemiepolitik. Umweltkommissarin Wallström will strengere Schadstoffbestimmungen für die Chemieindustrie einführen, sowie Risikoprüfungen und ein Verbot besonders gefährlicher Stoffe. Das würde strengere Auflagen bedeuten für die deutsche Chemieindustrie - aus Sicht des Kanzlers eine Bedrohung der Wettbewerbsfähigkeit.

Einen Teilerfolg hat Schröder mit seiner lauten Kritik erzielt: Wallströms Vorschläge sollten ursprünglich in diesem Monat auf den Tisch, werden jetzt aber erst in der zweiten Jahreshälfte präsentiert - nach den Bundestagswahlen. Künftig sollen - so stellt Schröder es sich vor - die Industrieminister sträker an solchen umweltpolitischen Entscheidungen beteiligt werden, die sich auf die Industrie auswirken.

Gefahr für die heimische Industrie sieht der Kanzler in dem neuen Anlauf der EU-Kommission für eine Übernahmerichtlinie. Seit der feindlichen Übernahme von Mannesmann durch den Vodafone fürchtet Schröder, dass bei einer Liberalisierung des Übernahmerechts Unternehmen in ausländische Hand geraten könnten.

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