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Politik: Der Kanzler hat das Vertrauen verloren

Im Bundestag stimmen 151 von 595 Abgeordneten für Gerhard Schröder Vertrauensfrage mit Widerständen gegen die Reformpolitik begründet Merkel: Deutschland steht vor einer Richtungswahl Der Bundespräsident entscheidet jetzt über die Auflösung des Parlaments Berlin Deutschland steht zum dritten Mal in der Nachkriegsgeschichte vor Neuwahlen nach einer verlorenen Vertrauensfrage. Nachdem der Bundestag am Freitag Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) das Vertrauen entzogen hat, muss Bundespräsident Horst Köhler über vorgezogene Wahlen entscheiden.

Im Bundestag stimmen 151 von 595 Abgeordneten für Gerhard Schröder Vertrauensfrage mit Widerständen gegen die Reformpolitik begründet Merkel: Deutschland steht vor einer Richtungswahl Der Bundespräsident entscheidet jetzt über die Auflösung des Parlaments

Berlin Deutschland steht zum dritten Mal in der Nachkriegsgeschichte vor Neuwahlen nach einer verlorenen Vertrauensfrage. Nachdem der Bundestag am Freitag Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) das Vertrauen entzogen hat, muss Bundespräsident Horst Köhler über vorgezogene Wahlen entscheiden. In der Abstimmung über die Vertrauensfrage votierten 151 Abgeordnete für den Kanzler, der damit wunschgemäß die notwendige Mehrheit von 301 Stimmen verfehlte. Schröder bat den Bundespräsidenten danach, den Bundestag vorzeitig aufzulösen. Für seine Entscheidung hat Köhler 21 Tage Zeit.

Der Kanzler begründete den Schritt damit, dass die für Deutschland notwendige Reformpolitik Widerstände und Streit auch im eigenen Lager ausgelöst habe. Nach einer Serie von Wahlniederlagen könne er sich deshalb „des stetigen Vertrauens der Mehrheit des hohen Hauses“ nicht mehr sicher sein. Er verwies darauf, die Entscheidung stehe ihm nach Artikel 68 des Grundgesetzes zu, das Verfahren sei verfassungskonform. Zur Fortsetzung der Agenda 2010 sei „eine Legitimation durch Wahlen unverzichtbar“.

Nach Schröders Worten seien „negative Auswirkungen für die Handlungsfähigkeit im parlamentarischen Raum“ spätestens mit der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vom 22. Mai „unabweisbar“ geworden. Deshalb habe er sich die Frage stellen müssen, ob die für eine Regierung notwendige Planbarkeit und Verlässlichkeit sowie die volle Handlungsfähigkeit noch gegeben seien. Zur Bilanz von sieben Jahren rot-grüner Regierung sagte Schröder, er sei stolz darauf, dass dies „gute Jahre“ gewesen seien, „die unser Land nach innen liberaler, toleranter, sicherer und demokratischer und nach außen selbstbewusster, freier und geachteter“ gemacht hätten. Am Freitagabend dann nahm der Kanzler in Hannover an einer Wahlkreiskonferenz teil, was als inoffizieller SPD-Wahlkampfauftakt gewertet wurde.

CDU-Chefin Angela Merkel zollte Schröder im Bundestag persönlichen Respekt für die Vertrauensfrage. Sie wies den Vorwurf zurück, die Opposition habe die Reformpolitik blockiert. Vielmehr habe „das Ringen mit den eigenen Leuten“ die Regierung geschwächt. „Dieses Land braucht nicht Politik als Stückwerk, dieses Land braucht Politik aus einem Guss“, forderte sie. Deutschland stehe vor einer „Richtungswahl“. Die Union wolle neue Mehrheiten im Parlament, „damit wir mit klaren Verhältnissen im Bundestag und im Bundesrat durchregieren können“.

Auch FDP-Chef Guido Westerwelle bekundete Schröder persönlich Respekt für die Vertrauensfrage. Zur Reformpolitik des Kanzlers sagte er: „Sie stehen mit dem Rücken zur Wand, weil Sie die Mehrheit der eigenen Leute nicht hinter sich haben.“ Außenminister Joschka Fischer (Grüne) sagte in einer kämpferischen Rede, die Koalition habe „allen Grund, stolz zu sein auf das, was sie erreicht hat“. Der Opposition hielt er vor, sie habe in der Debatte keine Alternative geboten. „Wir haben alle Chancen, wenn wir kämpfen“, sagte Fischer mit Blick auf die Wahl.

Der Grünen-Politiker Werner Schulz sprach von einem inszenierten, absurden Geschehen und kündigte eine Verfassungsklage an, falls Köhler das Parlament auflöse. SPD-Parteichef Franz Müntefering wurde nach der Bundestagssitzung wegen seiner Aussage kritisiert, der Kanzler habe inhaltlich weiter das „volle Vertrauen seiner Fraktion“. Dies sei „wenig hilfreich“ gewesen, sagte der SPD-Abgeordnete Peter Dancker der „Netzzeitung“. Der Bundespräsident und das Bundesverfassungsgericht würden „jeden Satz in der Debatte auf die Goldwaage legen“. Münteferings Worte könnten dahingehend ausgelegt werden, man hätte „ja die Mehrheit“.

Von den 600 Abgeordneten nahmen fünf nicht an der Abstimmung teil. Mit Nein stimmten 296 Parlamentarier, 148 enthielten sich der Stimme.

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