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Politik: Der Kanzler hat sich einen Tag nach seiner Kritik am Fraktionschef hinter Struck gestellt - aber das hat nicht viel zu sagen

Gelassen reckt sich der schmale, braungebrannte Mann auf seinem Stuhl, unweit der Rückwand des SPD-Fraktionssaales. Er hat es hinter sich.

Gelassen reckt sich der schmale, braungebrannte Mann auf seinem Stuhl, unweit der Rückwand des SPD-Fraktionssaales. Er hat es hinter sich. Vor ein paar Jahren in Bonn saß er noch ganz vorn, leicht erhöht in der ersten Reihe. Damals war Hans-Ulrich Klose der Chef. Nur zu gut weiß er, wie es sich anfühlt, wenn die eigenen Leute anfangen, hinter einem zu tuscheln. Er kennt das Gefühl der Hilfslosigkeit, wenn die eigene Autorität erodiert.

Vielleicht eignet seinen Gesichtszügen deshalb stets etwas Melancholisches. Heute hat der 62jährige den stressarmen Job eines Vorsitzenden im Auswärtigen Ausschuss. Sein Kommentar zur Lage? "Zum Sommertheater?" Wozu denn sonst? "Kein Kommentar", jedenfalls keiner, den er veröffentlicht wissen wolle: "Das verbietet mir die Höflichkeit." Ein müdes Lächeln unterstreicht den Ernst.

Die vorsichtige Einlassung des Mannes von gestern ist nicht untypisch dafür, wie das Schicksal seines Nachfolgers von heute im Kreise der Genossen kommentiert wird. Der Vorsitzende "redet manchmal zu locker daher", formuliert diplomatisch der Bremer Haushaltsexperte Volker Kröning. Viel schärfer wird kaum einer, wenn es darum geht, namentlich zitiert zu werden. Öffentliche Kritik an Peter Struck hat es genug gegeben.

Als besonders öffentlich erwies sich jene, die der Bundeskanzler in der Vertraulichkeit des Kabinettssaals geäußert hatte. Die "Bild"-Zeitung, die schon einmal einen umgefallenen Helmut Kohl auf der Titelseite flachgelegt hatte, zeigte am Mittwoch ein zerknülltes Portrait des SPD-Fraktionschefs. Schlagzeile: "Schröder faltet Struck zusammen."

Eine "Katastrophe" hatte er den Beitrag seines niedersächsischen Landsmannes zum Sommertheater genannt, besonders das Nachspiel, als er den Gewerkschaften durch eine missverständliche Formulierung Hoffnung auf regierungsamtliches Einknicken beim Renten-Sparkurs gemacht hatte.

Kein Wunder, wenn der normalerweise knurrig-coole Struck in diesem Tagen fast so melancholisch dreinschaut wie der Hobbylyriker Hans-Ulrich Klose. Und Gerhard Schröder? Entschlossenheitspose. Die pure Tatkraft. Sein Verhältnis zum Fraktionsvorsitzenden? Gute Zusammenarbeit, gibt er vor der ersten SPD-Fraktionssitzung nach dem Parlamentsumzug im Berliner Reichstag zum besten.

Eine Personaldebatte lasse seine Partei sich nicht von außen aufzwingen. Aber von innen? Nichts da, versichert er den Abgeordneten. Er könne mit Peter Struck zusammenarbeiten. Er wolle das. Und das werde auch noch deutlicher werden. Damit das deutlich wird, sickert heute durch dass der Kanzler und sein Fraktionsvorsitzender sogar gemeinsam zu Mittag gespeist haben. Ansonst wird nach vorn geblickt

Hinter den verschlossenen Türen des SPD-Fraktionssaales war zuvor auch zurückgeblickt worden. Murren und Unmutsäußerungen waren zu hören, als der Fraktionsvorsitzende seinen politischen Bericht abgab. Forderungen nach Rücktritt sind nicht zu vernehmen. Jedenfalls nicht laut. Die Abgeordneten haben ein feines Gespür für Machtverhältnisse.

Wenn Schröder ihren Vorsitzenden "zusammenfaltet" und die über Deutschlands auflagenstärkste Zeitung durchsickern lässt, dann wissen sie zweierlei: Erstens der wirkliche Chef ist wirklich entschlossen. Zweitens ist nicht nur Peter Struck geschwächt, sondern, so Kröning "die Fraktion".

Da mag der linke Sonnenenergie-Freak Hermann Scheer noch so entschlossen brummen, die Abgeordneten könne man nicht führen "wie eine Kolonne". Das habe nicht einmal Helmut Schmidt geschafft. Die Mehrheit hält es eher mit dem Spötter, der ihm auf dem Flur antwortet: "Dafür habt ihr ihn geschafft."

Zu schwer sitzt den Sozialdemokraten das 16jährige Diasporadasein in der Opposition in den Knochen, als dass sie auf Aufruhr gegen Mann gestimmt wären, der sie aus diesem Jammertal herausgeführt hat. Deshalb wird gemurrt und geschimpft. Über Struck. Ein bisschen gemeckert. Über Schröder. Aber Opposition bleibt eine Minderheit an der Sektenschwelle (siehe nebenstehenden Artikel).

Vorwärts, lautet das Motto, und allen Streit vergessen. Wer hätte denn eine Alternative? Franz Müntefering wird nach wie vor genannt. Schon gibt es die Spekulation einer Rochade, die den Westfalen an die Fraktionsspitze und Struck dafür - gesichtswahrend - ins Bauministerium wechseln lässt. Schließlich hat er sich nach der Wahl schon auf dieses Amt eingestellt. Aber der Kanzler hat "Njet" gesagt. Das weiß er von Helmut Kohl: Kabinetts-Umbildungen dürfen nie von außen aufgezwungen sein. Dann wirken sie als Zeichen der Schwäche.

Für die sorgen schon die nächsten Wahlen. Im Zwiegespräch mit den Abgeordneten wird deutlich, dass sie Dämpfer an der Saar, in Brandenburg und vor allem im sozialdemokratischen Kernland Nordrhein-Westfalen noch mehr verabscheuen als "Sommertheater" und mehr fürchten als Machtworte des Kanzlers.

Hans-Ulrich Klose kommt gerade vom Wahlkampf an der Ruhr zurück. Viel erzählt er nicht. Aber seine Miene wird dabei noch melancholischer als sonst.

Thomas Kröter

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