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Politik: Der Kanzler setzt auf stille Diplomatie. Wirtschaftsbeziehungen stehen im Mittelpunkt der Reise

Fast hundert Köpfe begleiten den Bundeskanzler, wenn er am Sonnabend zu seiner Asien-Reise aufbricht: hochkarätige Wirtschaftsleute, Abgeordnete, Journalisten. Gerhard Schröder absolviert seinen ersten offiziellen Besuch in Japan, dann in China.

Fast hundert Köpfe begleiten den Bundeskanzler, wenn er am Sonnabend zu seiner Asien-Reise aufbricht: hochkarätige Wirtschaftsleute, Abgeordnete, Journalisten. Gerhard Schröder absolviert seinen ersten offiziellen Besuch in Japan, dann in China. "China ist für mich nicht nur ein Markt", hat der Kanzler unlängst vor einer Runde asiatischer Journalisten gesagt. Dass die Wirtschaftsbeziehungen gleichwohl ein deutlicher Besuchs-Schwerpunkt in beiden Ländern sein werden, liegt in der Natur der Beziehungen, die Deutschland mit Japan und China verbinden.

52,6 Milliarden DM beträgt das deutsch-japanische Handelsvolumen, 35,1 Milliarden das immer noch sehr ausbaufähige deutsch-chinesische. In beiden Ländern sieht das Besuchsprogramm Firmen-Besichtigungen und Gespräche mit Wirtschaftsverbänden vor. In Shanghai, wo am Mittwoch der China-Besuch beginnen wird, besichtigt Schröder beispielsweise das Technische Zentrum von Volkswagen.

Der erste offizielle Besuch ist nicht Schröders erste Reise nach China. Als niedersächsischer Ministerpräsident war er bereits mehrfach in China. Als Kanzler musste Schröder im Mai kurzfristig statt der geplanten einwöchigen und offiziellen Reise einen eintägigen Arbeitsbesuch absolvieren, nachdem die Nato in Belgrad die chinesische Botschaft bombardiert hatte. Schröder, heißt es im Kanzleramt, habe mit dieser kurzen Reise Eindruck gemacht und sich den Respekt der chinesischen Führung verschafft. Der deutsche Bundeskanzler durfte damals in China die Entschuldigung des gesamten westlichen Bündnisses abgeben. Die Treffen mit Ministerpräsident Zhu Rongji und Staatschef Jiang Zemin werden aber auch diesmal einiges Fingerspitzengefühl verlangen. Im Sinne eines "konstruktiven Dialogs" will der Kanzler in Peking die Menschenrechte zur Sprache bringen. Das Thema wird vorrangig eingebettet sein in den politischen Dialog über den Reformprozess, die Entwicklung von Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit in China. Aber auch mit den Mitteln der "stillen Diplomatie" will der Kanzler versuchen, auf Einzelfälle und individuelle Schicksale Einfluss zu nehmen. Dass die Delegation der Bundestagsabgeordneten von der grünen Bundestags-Vizepräsidentin Antje Vollmer geführt wird, ist für sich genommen schon ein Bekenntnis zur Bedeutung der Menschenrechtsfrage. Konkrete Vorhaben des China-Besuchs sind zudem die Einrichtung eines vierten Generalkonsulats, der Ausbau der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Hochschulen sowie die Planung einer bilateralen Umweltkonferenz in Peking, wahrscheinlich im September 2000.

Mit Japan verbinden Deutschland nicht nur gute Beziehungen, sondern auch eine Reihe gesellschaftspolitischer Probleme. Über Auslandseinsätze, Überalterung oder die Reform der Sozialsysteme wird in Japan so intensiv diskutiert wie in Deutschland - gemeinsame Themen der Regierungschefs Schröder und Keizo Obuchi. Mit dem Jahreswechsel wird Japan zudem von Deutschland den Vorsitz der G 8, der Gruppe der wichtigsten Industrieländer, übernehmen.

Die Scharnier-Rolle der G 8 zum UN-Sicherheitsrat habe sich beim Kosovo bewährt, heißt es in Regierungkreisen, und solle auch in Zukunft tragfähig sein. In Deutschland würdigt man Japans Einsatz in der Kosovo-Krise und die beträchtliche Hilfsleistung. 160 Millionen Dollar hat Japan dem Kosovo zur Verfügung gestellt.

Doch die Kanzler-Visite soll auch den unmittelbaren Beziehungen zwischen den beiden Ländern und dem menschlichen Austausch dienen. Ein Vorschlag des japanischen Ministerpräsidenten Obuchi ist jetzt im Realisierungsstadium. In "Working Holiday Programs" sollen Jugendliche sich die Reisekosten selbst verdienen und dann bis zu 90 Tagen im anderen Land verbringen können.

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