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Politik: Der Kanzler will heute das Vertrauen verlieren Schröder kämpft im Bundestag für Neuwahlen

Müntefering: Einen Plan B haben wir nicht

Von Hans Monath

Berlin - Als dritter Kanzler der Bundesrepublik Deutschland will Gerhard Schröder an diesem Freitag über eine verlorene Vertrauensfrage vorzeitig Neuwahlen des Bundestages erreichen. Schröder hatte seinen Schritt nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai angekündigt. Bundespräsident Horst Köhler muss nach der verlorenen Vertrauensabstimmung innerhalb von 21 Tagen darüber entscheiden, ob er den Bundestag auflöst. In der Koalition gibt es aber Zweifel, ob das Bundesverfassungsgericht die vorgezogenen Neuwahlen für rechtens erklären wird. Kleine Parteien und mehrere Bundestagsabgeordnete wollen gegen die Auflösung klagen. Nach dem Deutschlandtrend von ARD/Bericht aus Berlin und Tagesspiegel sprechen sich sechs von zehn Befragten für einen Regierungswechsel aus, lediglich knapp drei von zehn plädieren für ein Weiterregieren von Rot-Grün.

Heute will Schröder seine Entscheidung zunächst vor den Fraktionen von SPD und Grünen und dann im Plenum des Bundestags begründen. Die Rede im Parlament soll eine knappe halbe Stunde dauern. Trotz der Zweifel vieler Abgeordneter an der Verfassungsmäßigkeit bereitet sich die Koalition nach Auskunft von Franz Müntefering nicht auf ein Scheitern des Neuwahl-Projekts vor. Im Koalitionsausschuss sei darüber nicht gesprochen worden, sagte der SPD-Chef nach der Sitzung des Gremiums am Donnerstag. Zur Frage, ob es einen „Plan B“ gebe, sagte er: „Haben wir nicht.“ In der Sitzung, die nach Angaben von Teilnehmern in gereizter Atmosphäre stattfand, rügte Schröder die Grünen-Abgeordneten Werner Schulz und Silke Stokar. Schulz hat eine Klage gegen vorgezogene Neuwahlen angekündigt und Schröder zum Rücktritt aufgefordert, Stokar hatte ihn unterstützt. Schröder soll dies im Koalitionsausschuss als „unerträglich“ kritisiert haben. Unterdessen trug Schulz dem Bundespräsidenten in einem Gespräch am Donnerstagnachmittag seine Bedenken gegen das Verfahren vor.

Im Vorfeld der Bundestagsentscheidung gab es offenbar eine enge Abstimmung zwischen Kanzleramt und Bundespräsidialamt. Ziel sei gewesen, die Vertrauensfrage so zu formulieren, dass Köhler ohne Bedenken den Bundestag auflösen könne, berichtete der Sender n-tv. Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag mit rot-grüner Mehrheit gegen die Stimmen der Opposition eine Vielzahl von Gesetzen. Müntefering wies den Vorwurf zurück, dies widerlege die Behauptung, der Kanzler habe das Vertrauen einer Mehrheit verloren. „Das ist eine andere Dimension“, sagte er.

Der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber sprach Schröder seinen Respekt aus. Wenn durch Reformprozesse die Unterstützung durch die Wählermehrheit in Frage gestellt sei, verdiene die Bereitschaft, sich dem Wählervotum zu stellen, Anerkennung, sagte Huber am Donnerstagabend beim Johannisempfang der EKD in Berlin.

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