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Doch noch Chaos. Nach dem EM-Finale in Kiew war der überschaubare internationale Flughafen mit dem Ansturm der Rückreisenden am Montag überfordert. Foto: dapd

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Politik: Der Kater nach dem Fest

Die politische Bilanz der Fußball-Europameisterschaft fällt in Polen und der Ukraine deutlich positiver aus als die wirtschaftliche.

„Die Euro war für uns ein Reinfall“, klagt Arun Barot, der in der Warschauer Innenstadt ein indisches Restaurant führt. „Alle Restaurantbetreiber klagen“, sagt er. Erst mit dem polnischen Ausscheiden sei es etwas besser geworden. „Vorher saßen alle nur noch zu Hause vor dem Fernseher.“ Auch der Taxifahrer Marek K. ist enttäuscht. „Ich hoffte auf deutliche Mehreinnahmen, stattdessen hatte ich weniger Fahrgäste“, erzählt der Mittfünfziger. Viele Warschauer hätten die Stadt wegen der Verkehrsprobleme verlassen. Die zusätzlichen EM-Touristen konnten dies offenbar nicht aufwiegen. Nach Angaben des Direktors des Polnischen Touristikverbandes Krzysztof Lopaczynski haben weit weniger Fußballfans Polen besucht, als erwartet. Statt der erhofften mehr als eine Million Fans kamen etwa 500 000. Zugleich seien andere Reisende ferngeblieben. Fatal für die Hotels wirkte sich die Tatsache aus, dass viele Geschäftsreisende auf Hotelnächte verzichteten. Zwischen den Spielen standen viele Hotels halb leer.

Polens Premier Donald Tusk feierte die zusammen mit der Ukraine ausgetragene Fußball-EM dennoch als großen Erfolg. „Überall werden wir für die hervorragende Organisation gelobt“, sagte er. Polen habe damit eine wichtige Imagekorrektur geschafft. Wirtschaftliche Gewinner der EM gibt es durchaus. So ist etwa der Verkauf von Plasmafernsehern um mehr als 18 Prozent gewachsen. Auch Bierbrauereien und Snackhersteller melden Umsatzrekorde. Auf der anderen Seite stehen enorme Aufwendungen aus der Staatskasse. Insgesamt hat Polen in Stadien, Straßen, Schiene und Flughäfen mehr als 20 Milliarden Euro investiert. Während die modernen Flughäfen auch weiterhin gebraucht werden, dürften die Stadien bald zu Investitionsruinen verkommen. Für polnische Ligaspiele sind sie viel zu groß. Noch schwierig abzuschätzen sind die Langzeitfolgen der Euro 2012. So sagten 92 Prozent der befragten ausländischen EM-Besucher, sie würden Polen ihren Freunden und Bekannten weiterempfehlen. 81 Prozent wollen für einen Urlaub nach Polen zurückkehren. Das Polnische Touristikinstitut plant bereits eine Werbekampagne unter dem Titel „Sie haben noch nicht alles gesehen!“

Noch durchwachsener fällt die EM-Bilanz für die Ukraine aus. Die weitgehend nicht transparent vergebenen und aus der Staatskasse bezahlten Aufträge dürften sich ebenfalls im zweistelligen Euro-Milliarden-Bereich bewegen. Nach Schätzungen sollen bis zu 50 Prozent davon in dunkle Kanäle geflossen sein. Das immer autoritärer auftretende Regime um Präsident Wiktor Janukowitsch schreckte potenzielle Besucher ab. Die weiten Distanzen und Infrastrukturprobleme taten ein Übriges. Waren bei den Gruppenspielen im polnischen Danzig noch jeweils 8000 spanische Fans dabei, schafften es nicht einmal 1000 ins 2000 Kilometer entfernte ukrainische Donetzk. Einen Imagegewinn kann allerdings auch die Ukraine verzeichnen, denn die Besucher vor Ort haben gesehen, dass man Regierung und Volk voneinander trennen muss. Die herzliche Gastfreundlichkeit hat viele Reisende in der Ukraine beeindruckt.

Auf der politischen Bühne ist es Janukowitsch gelungen, die Boykottdrohungen auszusitzen und stoisch lächelnd am Ende als Sieger dazustehen. Die Einladung an den weißrussischen Autokraten Aleksander Lukaschenko zum EM-Finale steht als Symbol für ein neues Selbstbewusstsein da, das sich immer weniger um europäische Werte schert.

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