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Politik: Der Keil zwischen uns

DIE USA, IRAK UND WIR

Von Gerd Appenzeller

Ist das nun der transatlantische Gau, der größte anzunehmende Krach zwischen den USA und Deutschland? Erst der Kanzler, jetzt auch sein Herausforderer, auf Gegenkurs zu George W. Bush. Was ist da los?

Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln? Da irrte Clausewitz, sagen wir heute. Aber ist die Drohung mit der Kriegsgefahr die Fortsetzung des Wahlkampfes auf anderen Wegen? Bis Montag musste Gerhard Schröder sich diesen Vorwurf gefallen lassen. Am 5. August hatte er in Hannover die USA, ohne sie ntlich zu nennen, vor einem „Abenteuer“ gewarnt, für das die Deutschen nicht zu vereinnahmen seien. Mit dem Abenteuer meinte Schröder einen Krieg gegen den Irak. Krassen Populismus warfen ihm seine Gegner vor. Es gebe keinen Anlass für eine solch dramatische Formulierung. Bis Montag galt das. Dann erklärte der amerikanische Vizepräsident Cheney, nichts gegen Irak zu tun, sei ein höheres Risiko, als etwas zu tun. Und er sagte auch: Die Amerikaner werden etwas tun. Etwas, das bedeutet: Angreifen, um Saddam Hussein zu stürzen. Davon sei Amerika auch nicht abzubringen, und wenn die ganze Region destabilisiert würde, auch gut – es seien ohnedies alles nur morsche Regime.

Hat Gerhard Schröder am 5. August in Hannover instinktiv eine Gefahr angesprochen, die in der Luft lag? CDU und CSU wehrten sich gegen diese Einschätzung, obwohl ihnen die Reaktionen der Bürger bei Wahlveranstaltungen zeigten, dass der Kanzler mit seiner Absage an kriegerische Abenteuer den Deutschen aus der Seele gesprochen hatte. Gestern nun schwenkte Edmund Stoiber auf Schröders Linie ein. Zwar kam ihm das Wort Abenteuer nicht über die Lippen, aber gegen einen Alleingang der USA sprach er so entschieden wie seit Wochen sein Gegner. Ist er damit zum Populisten geworden – oder zum Realisten?

Wer in Deutschland die amerikanische Außenpolitik in eine Showveranstaltung geltungssüchtiger Cowboys umdeutet, ist tatsächlich ein Populist. Nichts, was Präsident George W. Bush nach den Terroranschlägen des 11. Septembers welt- und militärpolitisch in die Tat umsetzte, trug den Zug der Leichtfertigkeit. Die Angriffe, die in Afghanistan die Taliban stürzten, waren sorgfältig vorbereitet und durch ein umspannendes diplomatisches Beziehungsgeflecht abgesichert. Aber: Amerika gelang es weder, Osama bin Laden aufzuspüren, noch, das Al-Qaida-Netzwerk zu zerschlagen.

In dieser Phase der Enttäuschung begannen die politischen Dissonanzen innerhalb der USA und die Suche nach weiteren Knotenpunkten terroristischer Aktivitäten. Von den als Verursachern ausgemachten Schurkenstaaten blieb dann nur einer übrig – der Irak. Zwar gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass Saddam Hussein Verbindungen zu Osama bin Laden oder zu Al Qaida unterhält. Aber er verweigert sich seit Jahren allen UN-Kontrollen und verfügt wahrscheinlich über vielfältige Massenvernichtungswaffen. Dass er die einzusetzen bereit ist, hat er mit den Giftgasattacken auf die Kurden innerhalb seines Staatsgebietes bewiesen. Machen wir ihn unschädlich, bevor er die Waffen erneut einsetzt, ist nun das Washingtoner Diktum, ohne Rücksicht darauf, ob Saddam Hussein vielleicht doch wieder Inspektoren einreisen ließe.

Es ist genau dieser Zielwechsel, der den Europäern – nicht allein den Deutschen, wohl aber nur von ihnen deutlich ausgesprochen – Probleme bereitet. Gegen den Irak eine verbale Drohkulisse aufzubauen, seine Regierung im Unklaren zu lassen, welche Drohung wann, und ob überhaupt, umgesetzt würde, war sinnvoll, solange man von Bagdad ein Einlenken forderte. Wenn der Krieg aber als unausweichlich erklärt, wenn das Risiko des Kippens einer ganzen Region geradezu billigend in Kauf genommen wird, dann ist die Politik am Ende, ohne überhaupt ihre Mittel ausgeschöpft zu haben.

Die Amerikaner neigen seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu dem, was man Unilateralismus nennt. Sie verstehen sich, was für die mächtigste Nation der Welt legitim ist, als Dreh- und Angelpunkt. Sie übersehen dabei, dass Partnerschaft nicht Gefolgschaft bedeuten kann, wenn die freie Welt sich ihrer Werte bewusst bleiben will. Daran zu erinnern, ist kein Fehler – auch nicht, wenn gerade Wahlkampf ist.

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