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Politik: Der kleine Bush in der Großen Halle des Volkes

Der US-Präsident besucht an diesem Wochenende China. Zwischen den beiden Großmächten brodelt es

Der Kinkakuji, einst von dem Shogun Ashikaga in Kyoto errichtet, ist ein Ort der Stille und Andacht. Von der hölzernen Veranda des Zen-Tempels blickt man auf einen liebevoll angelegten See mit Parklandschaft. US-Präsident George W. Bush, der auf dem ersten Stopp seiner Asienreise am Mittwoch den Tempel an der Seite von Regierungschef Junichiro Koizumi besuchte, ließ sich von der buddhistischen Ruhe jedoch nicht beeindrucken. Ausgerechnet beim Nachbarn Japan, Chinas Erzrivalen, holte Bush zur großen Kritik an Peking aus.

„Wenn sich einmal die Tür der Freiheit einen Spalt geöffnet hat, lässt sie sich nicht mehr schließen“, ermahnte der US-Präsident Chinas KP-Führer und forderte die Einhaltung der Menschenrechte. Als der US-Präsident dann auch noch das kleine Taiwan als Beispiel einer „freien, demokratischen und wohlhabenden“ Gesellschaft lobte, platzte einigen chinesischen Kadern der Kragen. „Wir müssen hart arbeiten und können den Menschen, die über dies und jenes sprechen und unsere Überzeugungen erschüttern wollen, keine Aufmerksamkeit schenken“, blaffte der gerne mal undiplomatische Außenminister Li Zhaoxing zurück. Staatsrat Tang Jiaxuan erklärte trotzig: „Chinas Menschenrechte sind die besten. Die der USA sind nicht so gut.“

Drei Tage lang wird Bush von Samstag an die Volksrepublik besuchen. Selbst für Pekings Diplomatie, die jede Woche Dutzende Führer und Politiker aus aller Welt durch die Große Halle des Volkes schleust, ist Bushs Staatsvisite von besonderer Bedeutung. Das Parteiblatt „Volkszeitung“ berichtet, wie Bush vor 30 Jahren seinen damals in Peking stationierten Vater besuchte und „fasziniert“ mit dem Fahrrad durch die Stadt fuhr. Über die jüngste Kritik des Weißen Hauses an Chinas Menschenrechtssituation und Pekings umstrittene Militärrüstung lesen die Chinesen dagegen so gut wie nichts.

Zwischen Peking und Washington brodelt es. Der Handel ist in eine gefährliche Schieflage geraten. China wird dieses Jahr für 200 Milliarden US-Dollar mehr Waren in die USA verkaufen als umgekehrt – ein neuer Rekord im Handelsdefizit der USA. „Störend“ nennt Bush dieses wachsende Ungleichgewicht, das US-Firmen jeden Monat tausende Arbeitsplätze kostet. Im US-Senat werden bereits Rufe nach Strafzöllen gegen chinesische Einfuhren laut, falls Peking seine Währung nicht aufwertet. Druck bekommt Bush auch aus Hollywood. China ist der größte Hersteller von raubkopierten Spielfilmen und Software. Die US-Industrie schätzt den jährlichen Schaden auf mehr als 2,5 Milliarden US-Dollar.

Eine Weile sah es nach 2001 so aus, als ob sich die beiden Großmächte aneinander annähern könnten. Peking war plötzlich ein Alliierter im Kampf gegen einen sehr viel größeren Gegner: den Terrorismus. Im Atomstreit mit Nordkorea nutzte Peking seinen Einfluss auf das Regime in Pjöngjang aus und engagierte sich als Vermittler. Mittlerweile hat beide Seiten die Realität wieder eingeholt.

Bei dem Treffen von Bush und Staatspräsident Hu Jintao am Sonntag in der Großen Halle des Volkes werden beide Seiten die Differenzen überspielen. Die Beziehungen entwickelten sich doch „reibungslos“, erklärte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Liu Jianchao. Auch Bush bemühte sich im Vorfeld um eine Glättung der Wogen: „Präsident Hu ist eine Person, die ich mit Vergnügen besuche. Er ist intelligent“, erklärte er. Die freundlichen Worte können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen Bush und dem eher steifen Hu die Chemie nicht stimmt. Bis heute nennen die chinesischen Staatsmedien den US-Präsidenten gerne „Xiao Bushi“ – „Kleiner Bush“ – um ihn von seinem Vater abzugrenzen. Es scheint, als könnten Chinas Führer bis heute besser mit dem Vater als mit dem Sohn.

Harald Maass[Peking]

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