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Politik: Der kleine Unterschied (Leitartikel)

Das Rennen zwischen Angela Merkel und Volker Rühe geht in die entscheidende Phase. Unter sportlichen Gesichtspunkten verspricht es spannend zu werden: Die beiden Konkurrenten sind, das wissen wir seit der Wahl am Sonntag, gleich stark.

Das Rennen zwischen Angela Merkel und Volker Rühe geht in die entscheidende Phase. Unter sportlichen Gesichtspunkten verspricht es spannend zu werden: Die beiden Konkurrenten sind, das wissen wir seit der Wahl am Sonntag, gleich stark. Beide haben gute Chancen auf den CDU-Vorsitz. Nur: Unter politischen Gesichtspunkten hat diese Rivalität wenig Sinn.

Beide haben keine Truppen in der Partei, nur Sympathisanten. Beide kommen aus kleinen Landesverbänden. Beide sind liberal denkende Konservative. Nur eines wirkt an Rühe einen Gran konservativer - seine Körpersprache, seine Ästhetik unbedingten Machtwillens. Mittlerweile sieht man das selbst in der CSU so, von der gestern erstmals Zustimmung für Angela Merkel zu hören war.

Vorrangig ist darum nicht die Frage, wer von den beiden gewinnt, sondern ob es sich die CDU-Führung derzeit leisten kann, einen von beiden zu verlieren. Die Gefahr besteht. Weniger bei Rühe, der sich heute in der Fraktion zum stellvertretenden Vorsitzenden wählen lässt. Größer ist diese Gefahr bei Angela Merkel. Sie kann kein hohes Fraktionsamt anstreben, weil sie ja schon Generalsekretärin der Partei ist. Kandidierte sie in der Fraktion, so würde das als Verzicht auf den CDU-Vorsitz wahrgenommen.

In der CDU reden jetzt alle über eine Mannschaft. Ist das bloß Taktik? Die Partei sehnt sich nach einer Konstellation, in der sowohl Rühe als auch Merkel eine führende Rolle spielen. Bleibt die mörderische Frage: Wer unter wem? Könnte sie unter Rühe Generalsekretärin sein? Schon, allerdings würden damit gleich zwei Klischees erfüllt: das von der dienenden Frau und das vom sekundierenden Ossi. Diese Konstellation wäre entmutigend konventionell, und sie wäre bei gleich starken Kandidaten nicht plausibel. Könnte er unter Merkel Generalsekretär sein? Rühes Stärke ist sein Machismo. Es ist diese Art, direkt nach der Wahl zu trompeten: "Ich habe an Gewicht gewonnen." Dieses Auftreten flößt vielen Menschen tatsächlich Vertrauen ein. Es erscheint ihnen vielleicht nicht sympathisch, aber berechenbarer und weniger bedrohlich als Schäubles demonstrative Intellektualität. Oder als Merkels Andersartigkeit.

Wenn die CDU Rühes Wirkung erhalten will, kann sie den Macho nicht erst in eine Niederlage schicken und ihn hernach mit dem Posten des Generalsekretärs trösten. Die ideale, die idealistische Lösung wäre deshalb von anderer Art. Zum einen dürfte es nicht zur Kampfkandidatur kommen, zum anderen müsste der Posten des Generalsekretärs aufgewertet werden. Wolfgang Schäuble hatte schon einmal über einen Generalsekretär im Range eines Partei-Vize nachgedacht. Kein Sekretär - ein zweiter Chef. Doch ein bisschen Rangunterschied bleibt und damit erneut die Frage: Wer unter wem?

Das hängt davon ab, wie viel kulturelle Erneuerung die CDU nach dem milden Wähler-Urteil über die Spendenaffäre noch für nötig hält. Rühe als Chef, als ein Schröder zweiten Grades - das wäre der Union zu wenig. Rühe als Vize-Chef - das wäre wohl ihm zu wenig. Wenn da Angela Merkel als innovativer gilt, dann hat das weniger damit zu tun, dass sie eine Frau ist. Auch nicht damit, dass sie programmatisch viel profilierter wäre als Rühe. Nein: Sie redet anders. Nicht besser oder interessanter, sondern offener. Sie strahlt nicht zu jeder Zeit aus, alles im Griff, jede Antwort parat zu haben; sie guckt noch nicht mit dem Alles-schon-gesehen-Blick. Ist sie eine Politikerin neuen Typs? Das wäre zu viel. Aber sie ist anders als Schröder, Müntefering, Rühe, Fischer, Stoiber. Nach dem Rücktritt von Schäuble fehlt der CDU dieses Besondere.

So könnte die CDU in etwas Neues hineinstolpern. Aus Versehen.

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