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Politik: Der kleine Vorsprung

MERKEL UND DIE MACHT

Von Tissy Bruns

Das Wort „Machtkampf“ sei nur in der Verneinung vorgekommen, und auch das nur selten. Sagt Angela Merkel, nachdem sie das CDUPräsidium auf ihr „Ja, aber“ zur Steuerreform festgelegt hat. So ist das, wenn eine Frau die Macht hat. Eine, die genau weiß, wie gern ihre lieben Parteifreunde an Helmut Kohls Wort vom „Mädchen“ erinnern.

Roland Koch kann die Erkenntnis mit nach Hause nehmen, dass dieses Mädchen ganz schön schnippisch sein kann. Und wie gemein: Man kann es ihr nicht einmal nachweisen. Denn Merkels Bemerkung über den verneinten Machtkampf ist loyal und liegt im Interesse der CDU. Nur wahr ist sie natürlich nicht. Deshalb versteht jeder die versteckte Bosheit in ihrer Bemerkung, dass da vielleicht einer einen Machtkampf mit der Parteichefin gesucht – ihn aber nicht gewonnen hat. Viele in der Union, alle außerhalb der Union können das aussprechen. Nur einer nicht, nämlich der Verlierer Roland Koch. Er und alle anderen, die Merkel eine kleine Blessur von Herzen gegönnt hätten, müssen sich offiziell über die Geschlossenheit der Union freuen.

Mit der Negation des Machtkampfs hat Angela Merkel gestern wieder ein Beispiel dafür geliefert, dass sie viel von der Macht versteht. Zugegeben: Das war nur ein ganz kleiner Sieg. Das „Ja, aber“ zur Steuerreform ist eine Momentaufnahme in einem längeren Prozess, der ihr und ihren innerparteilichen Konkurrenten noch reichlich Gelegenheit liefern wird, über Sachfragen die harte Machtfrage zu stellen. Die Führungsfrage in der Union ist erst geklärt, wenn über die nächste Kanzlerkandidatur entschieden ist. Für Merkel geht es um das Meisterstück. Für die Union, für die Öffentlichkeit ist das auch ein einmaliges Lehrstück: Wie geht das, eine Frau an der Macht?

Es hat sich herumgesprochen, dass Angela Merkel nicht daran denkt, sich mit der Rolle zu begnügen, die ihre Partei ihr in der tiefsten Krise der CDU zugetraut hat. Sie wurde Vorsitzende nach weiblichem Machtmuster: Wenn alles in Schutt und Asche liegt, dann kommt die Stunde, nun eben, der Trümmerfrauen. Geschlechtsspezifisch ausgedeutet wurden auch die ersten Krisen ihrer Amtsführung: Sie galt als zu wenig orientierend, als wankelmütig, als schwach. Die CDU, die eben noch der Notretterin gehuldigt hatte, verlangte nach einer starken Hand, als Gerhard Schröder in der Mitte der letzten Legislaturperiode glänzte und als unschlagbar galt. Entschlossenheit bewies die viel gescholtene Merkel schließlich, sehr weiblich, im Verzicht. Sehr weiblich und sehr klug. Am Ende war sie es, die nach zermürbenden Wochen Edmund Stoiber gelassen und kühl den Vortritt ließ. Ihre konkurrierenden Parteifreunde hatten allesamt längst Nerven gezeigt, auch Roland Koch, der sich schon damals als starkes Kontrabild zur schwachen Parteivorsitzenden in Szene gesetzt hatte.

Danach, nach der bravourösen Niederlage Edmund Stoibers, schien es vorbei zu sein mit den weiblichen Mustern. Friedrich Merz, auch kein uneingeschränkter Verehrer der Vorsitzenden, gab ihr den Ritterschlag, als er öffentlich zu Protokoll gab, sie habe die Übernahme des Fraktionsvorsitzes von langer Hand vorbereitet. Was ja nichts anderes hieß, als dass Angela Merkel ihre Rolle im Wahljahr machtpolitisch professionell und optimal ausgereizt hat.

Aber in den Vorwürfen von Merz dröhnt unausgesprochen: Die macht es ja wie ein Mann. Worüber ihre Parteifreunde bis heute leicht entgeistert wirken. Die Vorsitzende scheint das nicht zu beeindrucken. Den Umgang mit der Macht kann eine Frau nach Lage der Dinge nur von Männern lernen. Für eine wie Angela Merkel gibt es kein weibliches Vorbild. Dafür aber einen Helmut Kohl, der ihr als Vorsitzender einer Volkspartei vorgemacht hat, wie man die Dinge erst laufen und sich entwickeln lässt, um auszuloten, was geht. Dem sie ihrerseits vorgemacht hat, dass ein „Mädchen“ auch einem starken Mann über den Kopf wachsen kann, als sie als Erste die Emanzipation vom Übervater eingefordert hat, zu der ihre männlichen Konkurrenten den Mut nicht hatten.

Angela Merkel beweist immer wieder einen kleinen emanzipatorischen Vorsprung. Eine Frau an der Macht? Sie kann absehen von dieser Frage, ihren männlichen Konkurrenten merkt man an: So richtig schaffen sie das nicht.

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