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Politik: Der Klimafaktor

Das passiert Jürgen Trittin nicht oft: Der Minister sitzt auf dem Podium, der Mann am Rednerpult schimpft auf die Energiepolitik der Bundesregierung - und im Publikum branden Lachsalven auf. Nicht weil die Zuhörer Trittin so komisch finden.

Das passiert Jürgen Trittin nicht oft: Der Minister sitzt auf dem Podium, der Mann am Rednerpult schimpft auf die Energiepolitik der Bundesregierung - und im Publikum branden Lachsalven auf. Nicht weil die Zuhörer Trittin so komisch finden. Sie lachen über die Argumente von Hans-Dieter Harig, dem Chef der Energiesparte des Eon-Konzerns, der da über Subventionen für Strom aus Sonne und Wind schimpft.

Mehr als 200 Leute drängelten sich am Freitag und Samstag im Deutschen Architekturzentrum in Berlin, um zu hören, wie Deutschland gleichzeitig aus der Atomenergie aussteigen und das Klima schützen kann. Sie sollten von der deutschen Vorreiter-Rolle überzeugt werden. So sitzt der belgische Energie-Staatssekretär auf der Bühne und berichtet, wie sein Land aus der Atomkraft aussteigt: deutlich langsamer als Deutschland. Gleichzeitig macht er den Atomkraftgegnern Hoffnung, dass auch eine Regierung Stoiber den Atomausstieg nicht mehr rückgängig machen könne. "In der Demokratie kann die nächste Regierung die Gesetze wieder ändern, aber die übernächste Regierung kann das dann wieder rückgängig machen." Langfristige Investitionen seien daher viel zu riskant. Und so würden die Manager sich heute eher für den Bau von Gaskraftwerken als für Kernenergie entscheiden.

Jürgen Trittin blickte weit in die Zukunft. 2050 werde die Hälfte des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energien gedeckt. In der Übergangszeit auf Gas zu setzen, sei genau richtig. "Die Infrastruktur kann dann später auch für mit Sonnenenergie produzierten Wasserstoff genutzt werden." Auch in näherer Zukunft werde man erfolgreich sein. Er sei optimistisch, das Klimaschutzziel der Bundesregierung zu erreichen, sagt Trittin. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ist da skeptischer. Nach einem Bericht des "Spiegels" halten es die Forscher für wenig realistisch, den Kohlendioxid-Ausstoß bis 2005 um ein Viertel gegenüber dem des Jahres 1990 zu verringern.

Harig stellt die Klimaschutz-Ziele nicht in Frage, wohl aber, wie man sie ohne Kernkraft vernünftig erreichen kann. Er wettert gegen die Subventionen für Windenergie: "So hoch wie ein Arbeitsplatz in der Windernergie wurde nicht mal ein Bergarbeiter subventioniert." Das Publikum ist aufgebracht. Dort sitzen nicht nur Umweltschützer, sondern auch Vertreter der rot-grünen Landesregierungen und die Gewinner ihrer Energiepolitik - die Hersteller von Windrädern zum Beispiel. Als der Energie-Manager die Frage nach den Subventionen für Kernkraft zurückweist, "damit wollen wir die Diskussion nicht belasten", sind die Fronten im Saal klar.

Sascha Klettke

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