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Politik: Der Koalitionsvertrag steht

Acht Wochen nach der Wahl sind sich Union und SPD einig / Parteispitzen erläutern heute die Inhalte

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Der Vertrag für die große Koalition ist fertig. Acht Wochen nach der Bundestagswahl einigten sich Union und SPD am Freitagnachmittag in Berlin auf die Grundlagen einer gemeinsamen Regierung. Die designierte Kanzlerin Angela Merkel sprach von einer „Koalition der neuen Möglichkeiten“. Die Inhalte des mehr als 130 Seiten starken Koalitionsvertrag will Merkel gemeinsam mit dem künftigen Vizekanzler Franz Müntefering und den Parteispitzen Edmund Stoiber (CSU) und Matthias Platzeck (SPD) an diesem Samstag erläutern. Beide Seiten zeigten sich zufrieden mit den Kompromissen.

Merkel sagte, der Vertrag biete eine „echte Chance“ für Deutschland. Nach Jahren politischer Gegnerschaft wollten Union und SPD für Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit der Politik sorgen. Auch Platzeck nannte es als eine zentrale Aufgabe, das nötige Vertrauen der Bürger zu gewinnen. Dafür müssten sich beide Partner aber „am Riemen reißen“. Müntefering zeigte sich überzeugt, dass der SPD-Parteitag das Ergebnis billigen wird. Er sicherte Merkel die Unterstützung der SPD bei der Kanzlerwahl am 22. November zu. Stoiber verteidigte die Koalition gegen Kritik aus Wirtschaft und Gewerkschaften.

Der Vertrag sieht vor, dass die Mehrwertsteuer ab 2007 von 16 auf 19 Prozent angehoben wird. Damit sollen zu je einem Drittel die Haushalte von Bund und Ländern saniert sowie die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz etwa auf Lebensmittel bleibt bei sieben Prozent. Auf Drängen der SPD wird ab 2007 eine so genannte Reichensteuer auf Privateinkünfte erhoben. Zudem werden private Veräußerungsgewinne von Aktien- und Immobilienvermögen künftig pauschal mit 20 Prozent besteuert. Die Beiträge zur Rentenversicherung steigen 2007 von derzeit 19,5 auf 19,9 Prozent. Insgesamt sinken damit die Lohnnebenkosten um 1,6 Prozent.

Um die Neuverschuldung im Bundeshaushalt 2007 um 35 Milliarden Euro vermindern zu können, wird bereits ab Januar 2006 die Eigenheimzulage abgeschafft. Als weitere Sparmaßnahmen sind unter anderem die Beschränkung der Pendlerpauschale auf Fahrten ab dem 21. Kilometer und das Schließen von Steuerschlupflöchern beschlossen. Hinzu kommen die Zusatzeinnahmen durch Mehrwert- und Reichensteuer.

Um die Wirtschaft anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen, hat sich die Koalition auf ein Maßnahmenbündel verständigt. Innerhalb von vier Jahren sollen 25 Milliarden Euro in die Bereiche Familie, Verkehr, Mittelstand, Forschung und Bildung fließen. Zur Finanzierung wird der Verkauf von Goldreserven der Bundesbank geprüft. Aus den Erlösen soll ein Fonds für Investitionen entstehen.

Bis zuletzt hatten beide Lager um Kompromissformeln für die zwischen Union und SPD besonders umstrittenen Themen gerungen. Dazu zählte die von der Union verlangte Lockerung des Kündigungsschutzes. Als Preis für die Einführung der Reichensteuer akzeptierte die SPD, dass die Probezeit bei Neueinstellungen auf 24 Monate verlängert wird. Mehr Möglichkeiten für betriebliche Bündnisse für Arbeit gibt es aber nicht. Auch der Atomkonsens wird nicht angetastet.

Der Koalitionsvertrag soll am 18. November unterzeichnet werden. Zuvor müssen ihn alle drei Parteien auf Parteitagen am Montag bestätigen.

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