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Politik: Der Konflikt kehrt heim

Von Bernd Ulrich

Besser wär’s, die Dinge würden sich nicht gegenseitig befeuern und ließen sich einzeln kleinarbeiten. Aber so ist es leider nicht. Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, der Streit mit der Hamas und die Kontroverse um die Karikaturen des Propheten Mohammed vereinen sich zu einem großen Zusammenstoß. Dafür sorgen schon die Extremisten. Der iranische Präsident tut alles, um sein Streben nach der Atombombe mit Israel zu verknüpfen. Derweil greifen aufgebrachte Palästinenser wegen der herabsetzenden Karikaturen ein EU-Büro in Gaza an, jener EU, die doch auch in Zukunft – falls die Hamas zur Vernunft kommt – den halben Haushalt der Palästinenserbehörde finanzieren soll.

Und bei dieser Aufzählung war vom Sprachenstreit in Berliner Schulen und auf holländischen Straßen noch so wenig die Rede wie vom Tod Theo van Goghs oder vom Kopftuchstreit oder den brennenden Vororten in Frankreich, die wir schon fast vergessen hatten. Nein, vergessen hilft nicht mehr, stures Starren auf jeweils nur ein Symptom auch nicht: Wir erleben eine Eskalation des Konflikts mit dem Islam – und seine Europäisierung. Denn die Amerikaner stehen in allen drei Großkonflikten – Iran, Hamas, Dänemark – derzeit eher am Rande.

Daraus ergeben sich zwei Schlüsse. Erstens: Die Eskalation hat nur noch wenig mit dem schlecht begründeten Irakkrieg zu tun. Darum ist es nun egal, ob ein Land ihn mitgeführt hat oder nicht, ob man zum alten oder neuen Europa zählt. Zweitens: Der Konflikt findet jetzt zwischen denen statt, die er am meisten angeht, zwischen dem Islam und Europa. Hier wohnen mehr Muslime als in den USA, und die islamischen Länder sind unmittelbare Nachbarn der EU. Das ist vielleicht das einzig Gute an der Eskalation: Wir können nicht mehr so tun, als hätten nur die Amerikaner ein Problem mit den Arabern und wir stünden händeringend daneben. Der Konflikt kehrt heim.

Das heißt nicht unbedingt, dass die dreifache Krise friedlich endet. Doch liegt die Schwelle für den Einsatz militärischer Mittel bei Europäern deutlich höher als in den USA. Diese relative Gewaltfreiheit war allerdings so lange auch mit Prinzipienschwäche verbunden, wie wir uns der Illusion hingaben, Terrorismus und Islamismus seien weniger ein europäisches als ein amerikanisches Problem. Nun haben wir das volle Programm: soziale Konflikte, Kampf um Meinungsfreiheit und europäische Leitkultur im Inneren und im Äußeren. Eskalationsgefahr bis hin zum Militärischen mit Iran sowie eine Schutzpflicht gegenüber Israel, der sich zumindest die Deutschen niemals entziehen können.

Für Europäer war es leichter, völkerrechtliche Prinzipientreue gegen Amerika zu demonstrieren, als es jetzt ist, gegenüber Islamisten prinzipienfest zu bleiben. Natürlich weiß man sehr gut, um welche Prinzipien es geht – Meinungsfreiheit und Gewaltfreiheit. Es ist auch klar, welche Forderungen sich daraus ergeben: Verzicht Irans auf eine Atombombe, Verzicht der Hamas auf Anschläge und Verzicht auf Gewalt gegen Medien. Schwer fällt die Prinzipienfestigkeit, weil sie uns etwas kosten kann. Europa würde unter Wirtschaftssanktionen gegen Iran selbst leiden, und sich den Drohungen gegen die Medien zu stellen, erfordert zumindest Mut.

Da fügt es sich gut, dass die neue deutsche Regierung eine wichtige außenpolitische Veränderung eingeleitet hat: Sie will die Spaltung zwischen Realpolitik (Schröder) und Moralpolitik (Fischer), zwischen hart und weich also, überwinden. Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier reden und handeln bisher weitgehend synchron, überall und in jedem Konflikt. Wahrscheinlich ist Außenpolitik in einer so hellhörigen, internetgestützten Weltöffentlichkeit kaum noch anders zu machen. Trotzdem wird diese Politik spätestens dann in eine Krise kommen, wenn sie klare Konsequenzen erfordert. Wenn die beiden dann bei ihrer Linie bleiben, wird das Deutschland und Europa Respekt verschaffen, auch bei den Muslimen. Respekt, den wir genauso den Muslimen erweisen müssen, nicht zuletzt ihren religiösen Gefühlen.

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