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Politik: Der Konvent hat gesprochen

Der letzte Entwurf für eine Europa-Verfassung liegt vor – es wird einfacher und komplizierter

Der europäische Verfassungskonvent steht kurz vor der Einigung über die Machtverteilung zwischen den Institutionen. Konventspräsident Valéry Giscard d’Estaing legte gestern neue Vorschläge vor, die bis auf kleine Änderungen die Grundlage für den endgültigen Konsens bilden sollen. Sie seien auf „unerwartet große Zustimmung“ unter den verschiedenen Konventsmitgliedern gestoßen, sagte Giscard. Außenminister Joschka Fischer urteilte ebenfalls positiv: „Noch haben wir nicht weißen Rauch, aber der Rauch hellt sich auf. Mit dem heutigen Entwurf können wir es packen.“ Das Konventspräsidium geht davon aus, dass diese Fassung in zwei Wochen in Thessaloniki den Staats- und Regierungschefs vorgelegt werden wird.

Nach Gesprächen mit den verschiedenen im Konvent vertretenen Gruppen schlägt das Präsidium vor, dass die neuen Regelungen erst 2009 in Kraft treten. So lange sollen die in Nizza getroffenen Vereinbarungen gelten. Dies kommt sowohl Spanien als auch Polen entgegen, die in Nizza überproportional günstige Ergebnisse bei der Gewichtung der Stimmen im Rat erzielten. Auch die kleinen Mitgliedstaaten sind damit zufrieden, denn sie können bis 2009 jeder einen Kommissar in die EU-Kommission entsenden.

Ab 2009 soll die Kommission auf fünfzehn stimmberechtigte Mitglieder verkleinert werden. Nach einer Amtsperiode werden sie von Vertretern der übrigen Mitgliedstaaten abgelöst. Sie können bis dahin nur nicht-stimmberechtigte Juniorkommissare entsenden. Den Kommissionspräsidenten soll das Europäische Parlament wählen.

Das höchst strittige Problem der Mehrheitsentscheidungen versucht das Präsidium zu lösen, indem verschiedene Mehrheiten eingeführt werden. Neben der Einstimmigkeit und der qualifizierten Mehrheit aus der Hälfte der Mitgliedstaaten und drei Fünfteln der EU-Bevölkerung soll eine „Supermehrheit“ eingeführt werden, die aus zwei Dritteln der Mitgliedstaaten und 80 Prozent der Bevölkerung besteht. Je nach Thema soll eine unterschiedliche Mehrheit erforderlich sein. Es ist absehbar, dass Fischers Wunsch mit Mehrheit über die europäische Außenpolitik entscheiden zu können, sich noch nicht verwirklichen lässt. Dazu ist der Widerstand Frankreichs, Großbritanniens und Spaniens in dieser Frage zu groß. Fischer räumte ein, das Wichtigste sei, dass „nicht die Sonderinteressen eines einzelnen Mitgliedstaates die EU-Außenpolitik blockieren können“.

In der strittigen Frage des Vorsitzenden eines Europäischen Rates hat das Konventspräsidium der Forderung vieler Delegierter entsprochen und dessen Macht und Zuständigkeiten beschnitten. Auch die Bedingung, dass ein Ratsvorsitzender vorher zwei Jahre als Regierungschef Mitglied des Rates gewesen sein muss, wurde gestrichen. Der Ratsvorsitzende soll keinen verfassungsmäßig abgesicherten Apparat bekommen. Giscard äußerte sich trotzdem zufrieden. „Wir wollten die Rotation im Präsidentenamt abschaffen“, sagte er. „Das wird geschehen.“ In Zukunft werde ein gewählter Vorsitzender den Europäischen Rat leiten und so eine effizientere Arbeit ermöglichen. In den Allgemeinen Rat, der über die EU-Gesetze entscheidet, wird jeder Mitgliedstaat einen Regierungsvertreter entsenden.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel]

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