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Politik: Der Kreuzritter von Tiflis

Georgiens Oppositionsführer Michail Saakaschwili will Präsident werden – sein Radikalismus verprellt allerdings selbst einige seiner Befürworter

Um die Nasenflügel glänzt Schweiß, das Haar ist ein bisschen wirr und in den dunklen Augen sehr viel Glanz. So sieht jemand aus, wenn der Jackpot zum Greifen nahe scheint. Michail Saakaschwili ist in der Tat kurz davor, die Bank zu sprengen. Für ihn geht es seit dem Machtwechsel in Tiflis nicht mehr um Sieg oder Niederlage, sondern um alles oder nichts: das Amt des georgischen Präsidenten, für das ihn die Führer der ehemaligen Opposition nominierten. Sollte er dabei scheitern, ist ihm nicht mal eine Fußnote in künftigen Geschichtsbüchern hundertprozentig sicher. Eine Alternative, die es zu verhindern gilt. Dafür ist Saakaschwili das Beste gerade gut genug: Saakaschwili.

Obwohl er den Kampfdress der Revolutionäre – ein Parka in verwaschenem Oliv – inzwischen gegen einen feinen, dunklen Nadelstreifenanzug eingetauscht hat, will er einer der ihren bleiben – der Coca-Cola-Kids, die am vergangenen Samstag unter seiner Führung das Parlament in Tiflis stürmten und am Sonntag Staatschef Eduard Schewardnadse in dessen Residenz das bereits fertige Rücktrittsgesuch unter die Nase hielten.

Für die junge, westlich orientierte Generation ist Saakaschwili eine Ikone. Ein bisschen Robin Hood, ein bisschen Che Guevara. Und sehr viel Napoleon Bonaparte, wie seine Gegner meinen. Sein Radikalismus, den manche mit Charisma verwechseln, verprellt viele. Und erst recht seine Parteiflagge, die mehr und mehr die georgische ersetzt: rote Malteserkreuze auf weißem Grund – das Banner der Kreuzfahrer im heiligen Krieg gegen die Muslime.

Am 21. Dezember 1967 geboren, machte Saakaschwili das Abitur mit Auszeichnung, studierte anschließend in Kiew Völkerrecht und brach gleich nach dem Diplom 1992 in den Westen auf: Nach Studienaufenthalten am Internationalen Institut für Menschenrechte in Straßburg und in Oslo, dann an den Europarecht-Akademien in Florenz und Den Haag, wo er seine niederländische Ehefrau kennen lernte, schaffte er 1994 den Sprung nach Amerika. In New York ließ er sich an der Rechtsfakultät der Columbia-Universität immatrikulieren und jobbte parallel dazu in einer Anwaltskanzlei.

Saakaschwili, so schien es, hatte es geschafft. Doch trotz glänzender Karriere-Chancen ging er 1995 zurück nach Georgien. In der Fremde hatte er die Kampftaktiken des heimischen Haifischbeckens keineswegs verlernt. Unmittelbar nach seiner Rückkehr suchte er das, was in den Ländern der einstigen Sowjetunion blumig mit „Nähe zum Körper“ umschrieben wurde: Schulterschluss mit der Regierungspartei, der „Bürgerunion“ von Eduard Schewardnadse. Der wird zum politischen Ziehvater Saakaschwilis und zum Namensgeber von dessen kurz danach geborenem Sohn.

Der Dank folgt auf dem Fuß. In knapp drei Jahren wird aus dem bloßen Abgeordneten der Vorsitzende des Verfassungsausschusses und schließlich der Fraktionschef der „Bürgerunion“. Saakaschwili organisiert, damals kaum dreißig, bei Abstimmungen die Mehrheit für seinen Paten, der immer mehr und immer schwerer in Bedrängnis gerät. Auch wegen ausufernder Korruption. Vor allem die will Saakaschwili bekämpfen, als Schewardnadse ihn 2000 zum Justizminister macht. Der Bruch ist damit programmiert und kommt in weniger als einem Jahr: Die Lex Saakaschwili, mit der bestechliche Staatsdiener aus dem Amt geklagt werden können, scheitert am Veto Schewardnadses.

„Schewardnadse ist unser größtes Problem“, sagt Saakaschwili, wirft den Bettel hin und gründet eine eigene Partei – die „Nationale Bewegung“. Die führende Kraft beim Umsturz, aber nicht die einzige. Und erste Haarrisse im Zweckbündnis mit Interimspräsidentin Nino Burdschanadse und deren Vorgänger im Amt des Parlamentschefs, Surab Schwanija, die sich noch kurz vor den gefälschten Wahlen gegenseitig die Wähler abspenstig machten, sind nicht zu übersehen.

„Die Revolution geht weiter", sagte Saakaschwili, als die Troika am Mittwoch seine Nominierung als gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentenwahlen bekannt gab. „Unfug“ korrigierte ihn Intimfeind Schwanija. „Jetzt werden die Ärmel hochgekrempelt zum Arbeiten. Die Revolution ist zu Ende.“ Und frisst oft und gern ihre eigenen Kinder.

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