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Politik: Der Libanon vor dem Kollaps

Neben der katastrophalen humanitären Lage droht auch der Zusammenbruch der Wirtschaft

Berlin - Internationale Hilfsorganisationen haben am Montag angesichts der humanitären Lage im Libanon Alarm geschlagen. Aufgrund der anhaltenden Kämpfe sind Hilfstransporte nahezu unmöglich. „Die Konvois nutzen jede kurze Waffenruhe, doch auf die Sicherheitsgarantien der Behörden kann man nur noch wenig geben“, sagte der stellvertretende Leiter von Malteser International, Sid Peruvemba, dem Tagesspiegel. Die Sicherheitslage ändere sich stündlich. Und insbesondere der Süden des Landes sei inzwischen von der Versorgung fast vollständig abgeschnitten. In der Hauptstadt Beirut habe sich die Situation für die Flüchtlinge ebenfalls zugespitzt. In den Sammelunterkünften sei der Zustand mittlerweile kritisch. Es gebe hygienische und medizinische Probleme, so Peruvemba.

Auch Thomas Schwarz von Care International sieht die Gefahr, dass in den Notunterkünften und Stadtparks, in denen sich viele Flüchtlinge provisorisch niedergelassen haben, schon bald Krankheiten und Seuchen ausbrechen. „In 25 Quadratmeter großen Klassenzimmern leben und schlafen bis zu 25 Personen unter fürchterlichen hygienischen Bedingungen“, berichtete Schwarz aus einer Sammelunterkunft in Beirut. Zahllose Kinder seien zudem traumatisiert und säßen nur noch apathisch da. Sie bräuchten dringend psychosoziale Betreuung. „Die humanitäre Katastrophe im Land hat ein Ausmaß erreicht, dass selbst eine sofortige Waffenruhe noch lange kein Ende der menschlichen Tragödie bedeuten wird“, sagte Schwarz.

Der Leiter von Caritas International, Martin Salm, sieht den Libanon durch die israelische Blockade und die massive Zerstörung der Infrastruktur vor einem drohenden wirtschaftlichen Zusammenbruch. „Der Handel ist zum Erliegen gekommen, viele Gehälter werden nicht mehr gezahlt, und immer mehr Menschen leiden unter dem Versorungsengpass“, sagte Salm. Der Wiederaufbau des Landes werde Jahre dauern und sei ohne ausgedehnte Hilfe der Internationalen Gemeinschaft nicht machbar. „Der Libanon kann das alleine nicht stemmen, und die Hilfsorganisationen können nur einen kleinen Beitrag leisten“, so Salm.

Der Malteser-Hilfsdienst berichtete ebenfalls, das wirtschaftliche Leben sei „wie gelähmt“. Die Menschen stürmten vielerorts aus Angst vor Lebensmittelknappheit zu Hamsterkäufen in die Supermärkte. Knapp wird auch der Kraftstoff. „Die wenigen Tankstellen, die noch Benzin haben, geben nur noch 15 bis 20 Liter pro Auto ab“, sagte der Vizechef des katholischen Hilfswerks, Peruvemba. Angesichts dessen könnte auch den Hilfstransporten, die noch Versorgungsfahrten wagen, schon bald der Sprit ausgehen. Das würde die Situation zusätzlich verschärfen.

Doch nicht nur für Transporte wird das Benzin gebraucht. Auch viele Krankenhäuser seien darauf dringend angewiesen, sagte Care-Sprecher Schwarz. Die libanesischen Hospitäler verwendeten vielfach benzinbetriebene Aggregate, über die die elektrische Versorgung von Operationen und Intensivpatienten liefe. Die israelische Blockade des Güterimports in den Libanon müsse dringend aufgehoben werden, appellierte Schwarz.

Karin Wollschläger

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