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Politik: Der libysche Gast

Münchens Polizeipräsident wegen Umgangs mit Gaddafi-Sohn in der Kritik

Mit einem besonderen Fall von „weiß-blauer Gastfreundschaft“ beschäftigt sich die bayerische Grünen-Landtagsabgeordnete Christine Stahl. „Aber mir fehlt jedes Verständnis dafür“, sagt die Nürnbergerin. Fünf Jahre lang durfte Saif al Arab Gaddafi in München die Gastfreundschaft des Freistaates genießen. Mit der Liste seiner mutmaßlichen Vergehen allerdings muss er als Intensivtäter gelten. Konsequenzen durch Polizei und Staatsanwaltschaft indes hatte er keine zu tragen. Saif al Arab Gaddafi, geboren 1982, war einer der Söhne von Libyens Diktator Muammar al Gaddafi. Im Februar dieses Jahres, als der Bürgerkrieg in seinem Heimatland begann, soll er ausgereist sein. Laut einer Meldung der libyschen Regierung wurde er am 30. April bei einem Nato-Luftangriff in einer Villa seines Vaters getötet. Gaddafis wilde und kriminelle Münchner Jahre beschäftigen aber weiterhin die Ermittler und die Politik.

„Bei ihm wurden immer beide Augen zugedrückt“, empört sich Christine Stahl. Als Student war er seit 2006 an der Technischen Universität (TU) eingeschrieben, gesehen wurde er dort nie. Im Nobelstadtteil Bogenhausen lebte er in einer Villa, hatte Angestellte und teure Autos. Angehörige der libyschen Botschaft in Berlin gingen dort ein und aus. Elf Ermittlungsverfahren gab es gegen Gaddafi junior – etwa wegen Fahrens ohne Führerschein, auch steuerte er mit mehr als zwei Promille ein Auto. Eine äthiopische Hausangestellte soll er verprügelt und ihr eine Pistole an die Schläfe gedrückt haben. Ein Kurierfahrer zeigte an, dass er ein Gewehr und einen Revolver im Auftrag Gaddafis nach Paris gebracht habe. Und Polizeibeamten soll er, so steht es in einem Bericht von Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU), „den erhobenen Mittelfinger seiner rechten Hand gezeigt“ und gesagt haben: „Polizei! Hey, fick dich!“

Es gab ein paar Strafbefehle, die bezahlt wurden, sonst blieb er unbehelligt. „Der Gaddafi-Sohn ist mit Samthandschuhen angefasst worden“, ist sich die Grüne Stahl sicher. Jeder andere Bürger hätte in diesem Fall größte Probleme bekommen – wegen illegalen Waffenbesitzes, Verdacht auf Waffenhandel, Beamtenbeleidigung oder Körperverletzung. „Innenminister Joachim Herrmann und die Justizministerin sagen seit drei Monaten nichts dazu“, klagt Stahl. „Der Minister muss sich doch vor seine Polizisten stellen.“

Die Vermutung liegt nah, dass niemand gegen den Diktatoren-Spross vorgehen wollte – um sich nicht mit Gaddafis Vater anzulegen, dem cholerischen Despoten in Tripolis. Offenbar fürchtete man, wie die Schweiz niedergemacht zu werden: In Genf hatte die Polizei im Jahr 2008 den Gaddafi-Sohn Hannibal festgenommen, weil er in einem Hotel seine Angestellten beschimpfte und massiv misshandelte. Gaddafi senior nahm daraufhin zwei Schweizer Geschäftsleute in Libyen als Geiseln. Erst nach Entschuldigungen und Bußgängen Schweizer Politiker wurden die beiden wieder freigelassen.

Die Zuständigen in München haben, so sieht es die Landtags-Opposition, Zugriffe regelrecht vereitelt. Saif al Arab Gaddafi hatte sich etwa immer wieder darauf berufen, Abgesandter der libyschen Botschaft zu sein und deshalb Immunität zu genießen. Am 13. März 2007 teilte das Auswärtige Amt mit, dass der Gaddafi-Sohn kein Diplomat ist. Vor der geplanten Durchsuchung der Haidhausener Villa wegen des Verdachts auf Waffenhandel reiste aber ein Münchner Oberstaatsanwalt Ende Juli 2007 nach Berlin zur Botschaft, um noch einmal nachzufragen, ob Gaddafi nicht doch akkreditiert ist. Danach wurden in dem Haus – welch Wunder – keine Waffen gefunden.

Zunehmend in die Kritik gerät auch Münchens Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer. Dieser war Ende August 2006 mit Gaddafi und einem Botschaftsangehörigen ins Luxushotel „Bayerischer Hof“ zum Essen gegangen. Das Justizministerium informiert nun, dass die Rechnung von Libyen bezahlt wurde, Schmidbauer also Gast war. Er rechtfertigt sich, dass der Restaurantbesuch „kein Freundschaftstreffen“ gewesen sei. Gaddafi hätte Personenschutz und einen Führerschein gefordert, er habe das abgelehnt und ihn in das deutsche Rechtssystem eingeführt.

So undurchsichtig der Fall, so rätselhaft ist auch Gaddafis Verschwinden. Am 26. Februar dieses Jahres verhängten die UN in einer Resolution ein Reiseverbot für die Mitglieder des Gaddafi-Clans, denen schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Man hätte Saif al Arab Gaddafi also in München festhalten müssen. Wenige Tage zuvor soll er aber von einem Mittelsmann bei den Behörden abgemeldet worden sein – nach „unbekannt/Libyen“. Zeugen indes wollen ihn noch im März mehrfach am Tegernsee gesehen haben, 50 Kilometer südlich von München. Bayerns Justizministerium stellt fest: „Ein Nachweis der Ausreise aus Bayern liegt nicht vor.“ Es fänden keine Grenzkontrollen zu den Nachbarstaaten statt, weshalb man nicht überprüfen könne, wohin Gaddafi gegangen ist. Wirkliche Beweise dafür, dass er in Libyen getötet wurde, gibt es auch nicht.

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