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Zeigen, wo’s langgeht. Gianfranco Fini (rechts), Mitgründer der Regierungspartei und langjähriger Kronprinz von Premier Silvio Berlusconi (links), wollte den Chef nicht mehr bedingungslos unterstützen. Der warf ihn aus der Partei.

© AFP

Politik: Der Mehrheitseinkäufer

Silvio Berlusconi will es wissen – mit der Vertrauensfrage hat er getestet, ob seine Regierung noch hält

Die erste Kabinettssitzung nach seinem beeindruckenden Wahlsieg im Frühjahr 2008 berief Silvio Berlusconi nach Neapel ein. In der vom Müll überquellenden Stadt wollte der Ministerpräsident eine „Regierung des Machens“ präsentieren. Zwölf Monate später meldete er in der Tat, das Abfallproblem sei gelöst.

Heute ist der Müll auf die Straßen Neapels zurückgekehrt – als Sinnbild für viele nur optisch-propagandistisch, nicht aber substanziell beseitigte Probleme und wie ein Menetekel für die Regierung Berlusconi, deren Tage nunmehr gezählt scheinen. Vielen Beobachtern in Italien kommt es so vor, als schlösse sich ein Kreis. Zudem versinkt Berlusconis eigene Partei, das „Volk der Freiheit“ (PDL), im selbst angehäuften politischen Müll; die Luft, so schreiben skandalerfahrene Leitartikler, sei so verpestet wie kaum je zuvor.

Aktuell beziehen sie sich auf die Kampagne, mit der Berlusconis Zeitungen über dessen Hauptkritiker herziehen – über Parlamentspräsident Gianfranco Fini, der zwar zusammen mit Berlusconi den PDL gegründet hatte, dann aber gegen den „cäsaristischen, monarchistischen“ Parteichef sein „demokratisch legitimes Recht auf Dissens“ dermaßen unverblümt wahrnahm, dass Berlusconi ihn vor die Tür setzte. Flankierend „entdeckten“ einige von Berlusconis notorischen Schlammjournalisten – belegt durch womöglich eigens gefälschte Dossiers –, dass sich Fini am Eigentum seiner früheren Partei bereichert haben soll. Angeblich hat er ein von der Alleanza Nazionale geerbtes Appartement in Monte Carlo unter der Hand und zum Schleuderpreis an seinen Schwager weitergereicht.

Die politische Folgerung daraus lautet: Fini, der sich gegenüber Berlusconi als Garant von Anstand, Recht und Ordnung aufspiele, habe selbst Dreck am Stecken; als Präsident des Abgeordnetenhauses sei er unglaubwürdig geworden, er müsse gehen.

Die Wohnung im Fürstentum Monaco stellte sich tatsächlich als Finis offene Flanke heraus. Die Eigentumsverhältnisse blieben schon deshalb unklar, weil der Verkauf über schwer durchschaubare Finanzgesellschaften in der Karibik lief und weil Finis Schwager offenbar auch innerfamiliär zur Aufklärung nichts beitragen wollte. Die Affäre gipfelte in einer Videobotschaft – der Inszenierung nach eine „Rede an die Nation“, verbreitet übers Internet –, in der Fini seinen Rücktritt für den Fall versprach, dass sich sein Schwager tatsächlich als Eigentümer der Wohnung herausstellen sollte. Schuldig fühlt Fini sich nicht: Der Preis, den die Partei für die 50 bis 55 Quadratmeter erhalten habe, liege auf jeden Fall über dem unumstrittenen Schätzwert.

Berlusconi indes, der mit dem Rauswurf Finis aus der Partei und dem darauf folgenden Auszug von etwa 35 „Finianern“ aus der Koalition seine Mehrheit im Abgeordnetenhaus eingebüßt hat, hat zuletzt mit allen möglichen Versprechen versucht, genügend Abgeordnete aus anderen Fraktionen einzukaufen. Es gehe im Parlament zu wie auf einer Fußballerbörse, heißt es.

Diesen Mittwoch nun, just an seinem 74. Geburtstag, wollte der Regierungschef testen, ob’s reicht. Nach einer Rede im Parlament wollte er die Abgeordneten über „fünf Leitpunkte“ seiner Regierung abstimmen lassen und anhand des Resultats entscheiden, ob er weitermachen oder die Wähler rufen will. Auf die formelle Vertrauensfrage hatte Berlusconi zunächst verzichtet – um diese Karte, die er schon oft gebraucht hatte, dann am Mittwochnachmittag doch noch zu ziehen. Die Gefolgschaft der Finianer schien dann wenig später sicher: „Wir werden mit Ja stimmen“, kündigte der Abgeordnete Andrea Ronchi, einer der führenden Gefolgsleute Finis, an.

Ohnehin hatten Fini und seine Leute versprochen, Berlusconi weiterhin zu unterstützen, solange er sich an das 2008 gemeinsam erarbeitete Regierungsprogramm halte. Sie wollen nur keine „Privatgesetze“ zum persönlichen Nutzen des Regierungschefs mehr durchgehen lassen. Offen ist allerdings, ob sie Berlusconis neuen Versuch, sich seine letzten Strafprozesse vom Hals zu schaffen, als „Privatgesetz“ oder als „legitimen Schutz höchster Politiker“ einstufen wollen.

Erste Spaltungen in Finis Lager waren schon zuvor nicht zu übersehen. Schließlich sind selbst für eine solche „Moralfraktion“ drei weitere Jahre auf den Abgeordnetenbänken im Zweifel bequemer als vorgezogene Neuwahlen mit einem – für die noch nicht einmal richtig gegründete, konturlose Fini-Partei – womöglich verheerenden Ausgang.

Die Opposition setzt derweil auf den raschen Verfall jener „Auflauf-Mehrheit“, die Berlusconi sich per „Stimmenkauf und Korruption“ zusammengebacken habe, so am Mittwochnachmittag Luigi de Magistris, Europaabgeordneter von „Italien der Werte“, der Partei des früheren Staatsanwalts Antonio Di Pietro. Sie werde bestenfalls von „Weihnachten bis zum Sankt-Stephans-Tag halten“.

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