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Politik: Der Michel zählt

Vor allem Landesprobleme interessierten, Bundesthemen standen hintan – und die Älteren ließen Schill im Stich

In ihrer ersten Wahlanalyse hat die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen am Sonntag herausgestrichen, dass noch nie eine Partei in der Geschichte der Bundesrepublik so viel Prozent hinzugewonnen hat wie jetzt die Hamburger CDU in der Abstimmung zur Bürgerschaft. Sie legte von 26,2 Prozent im September 2001 auf jetzt über 47 Prozent zu – ein Plus von über 20 Prozentpunkten.

Die bundespolitische Bedeutung wird von den Wahlforschern indes relativiert: Auch wenn die Wahl zur Hamburger Bürgerschaft für die SPD unter sehr ungünstigen bundespolitischen Rahmenbedingungen stattgefunden habe, sei es für die Wähler in Hamburg primär eine Landeswahl gewesen. So äußerten in der Woche vor der Wahl 74 Prozent aller Befragten, die Politik in der Hansestadt sei für ihre Wahlentscheidung ausschlaggebend. Lediglich 14 Prozent nannten die Bundespolitik als wichtigstes Wahlmotiv. Die Hamburger SPD kann vor allem deshalb die SPD im Bund für ihr aktuelles Ergebnis nicht verantwortlich machen, weil die SPD in der Hansestadt ohnehin ähnlich schlecht angesehen ist wie die SPD im Bund. Das Resultat vom Sonntag war denn auch das bislang schlechteste der Hamburger Sozialdemokraten, die seit 1945 die meiste Zeit stärkste Partei gewesen ist.

Neben der für die CDU relativ günstigen bundespolitischen Stimmung waren die starken Zugewinne der Partei laut Forschungsgruppe auf das hohe Ansehen ihres Spitzenkandidaten Ole von Beust zurückzuführen. Im direkten Vergleich wünschten sich 56 Prozent jetzt wieder den amtierenden Ersten Bürgermeister, nur 33 Prozent sprachen sich für den SPD-Spitzenkandidaten Thomas Mirow aus. Der mit einem Amtsbonus ausgestattete Ole von Beust erzielte auf der Skala von plus 5 bis minus 5 eine sehr gute Bewertung von 2,0. Herausforderer Mirow dagegen erhielt nur die Note 0,7. Drei Viertel aller Befragten (74 Prozent) bescheinigten von Beust eine gute Arbeit als Erster Bürgermeister, darunter auch mehr als jeder zweite SPD-Wähler. Beim Kandidatenprofil schnitt er als der glaubwürdigere, der sympathischere Kandidat ab. Er galt den Wählern eher als ein Siegertyp sowie als derjenige, der besser zu Hamburg passt. Mirow dagegen hatte lediglich bei der Eigenschaft „mehr Sachverstand“ die Nase vorn. Die CDU habe einen „modernen und attraktiven Kandidaten“ gehabt, bilanzierte der Wahlforscher Karl-Rudolf Korte.

Auch bei den zentralen Problemen in der Stadt wie Wirtschaft, Schaffung von Arbeitsplätzen, Kriminalität und bei der Zukunftskompetenz verzeichnete die CDU einen zum Teil erheblichen Kompetenzvorsprung vor den Sozialdemokraten. Lediglich bei den Themen Bildung und Familie konnte die SPD knapp vor der CDU punkten.

Kennzeichnend für das Ergebnis von 2001 war der große Erfolg von Ronald Schill und seiner damaligen Partei, an den Schill bei dieser Wahl nicht anknüpfen konnte. Interessant war deshalb die Frage, wie diejenigen Gruppen bei dieser Wahl abstimmten, bei denen Schill das letzte Mal seine größten Erfolge verzeichnete. Bei den Arbeitern kam Schill im September 2001 auf 27 Prozent. Jetzt erreichte er mit seiner neuen Partei Pro DM/Schill dort lediglich noch sechs Prozent. Die CDU gewinnt bei den Arbeitern 25 Punkte hinzu und erzielt 47 Prozent, die SPD verliert ein weiteres Mal und kommt nur noch auf 32 Prozent bei den Arbeitern. Ähnlich sieht es bei den über 60-jährigen Männern aus, einer weiteren ehemaligen Wählergruppe von Schill (2001: 28 Prozent). Auch hier erreicht Schill jetzt nur noch drei Prozent, die CDU macht 28 Prozentpunkte gut und kommt auf 58 Prozent. Doch auch bei den unter 30-jährigen Wählern konnte die CDU 21 Prozentpunkte dazugewinnen und wird hier mit 42 Prozent deutlich stärkste Partei vor der SPD mit 27 Prozent und den Grünen mit 20 Prozent.

Den Absturz Schills begründete der Politikwissenschaftler Peter Lösche damit, dass dessen Wähler ihr Vertrauen in ihn verloren haben. „Rechtspopulismus braucht immer ein Thema zum Fackeln“, sagte Lösche. 2001 sei die Drogenproblematik ein derartiges Thema gewesen. „Aber jetzt ist das Thema weg, und der Rechtspopulismus ist damit auch weg.“

Dabei war es gut eine Woche vor der Bürgerschaftswahl noch unklar, ob Schill es mit seiner neuen Partei nicht doch knapp über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen könnte. Damit war auch unsicher, ob die prognostizierte absolute Mehrheit der CDU Wirklichkeit werden würde. Auch das Abschneiden der FDP war kurz vor der Wahl noch unsicher. Bis zuletzt war offen, wie viele CDU-nahe Wähler am Schluss für die FDP stimmen würden. Fast jeder dritte Wähler der CDU konnte sich vorstellen, die FDP zu wählen. Am Ende gab es aber offenbar nur wenig Leihstimmen für die Liberalen. Tsp

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